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Cayman Islands, wo Menschen gerne urlauben und Konzerne gerne versteuern.

Foto: dapd

Wien – Transparenz und Zusammenarbeit lauten die Zauberworte, mit denen die Staatengemeinschaft in Europa den Trend zur Steuervermeidung multinationaler Konzerne eindämmen sollte. Zu dieser Kernaussage kamen die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion im Haus der EU. "Wir sind jetzt in einer Situation, in der die Weiterführung der derzeitigen Praktiken nicht mehr politisch akzeptiert wird und es zu einer Gegenreaktion kommt", meint Heinz Zourek, Generaldirektor für Steuern und Zollunion der EU-Kommission. Ausgelöst wurde der Gesinnungswandel seiner Ansicht nach durch Luxleaks, wodurch zahlreiche Fälle aufgedeckt wurden, in denen Luxemburger Steuerbehörden Konzernen niedrige Besteuerung verbindlich zugesichert hatten.

Anlässlich dessen hat die EU-Kommission im März ein Transparenzpaket vorgestellt, das vorsieht, dass Mitgliedsstaaten derartige Steuerdeals künftig offenlegen müssen. Unternehmen und Steuerberatern werden durch die Regelung Offenlegungspflichten auferlegt. "Wir brauchen Transparenz, die ist unbedingt notwendig", sagt Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller, "aber eine Transparenzoffensive trägt nichts dazu bei, dass an den Steuerpraktiken etwas geändert wird. Ich finde, dass man einen weitergehenden Ansatz braucht."

Gemeinsame Bemessungsgrundlage

Unitary Taxation lautet ihre konkrete Empfehlung, mit der sie dem Trend entgegenwirken will, dass Konzerne ihre Erträge nicht dort versteuern, wo sie realwirtschaftlich erzielt wurden, sondern in Steueroasen. Schratzenstallers Vorschlag sieht vor, die Gewinne multinationaler Konzerne anhand von Kennzahlen wie Umsatz, Anzahl der Beschäftigten oder Höhe der Investitionen auf einzelne Staaten aufzuteilen, wo diese zu den jeweiligen Sätzen versteuert werden sollen. Zourek verweist darauf, dass die Kommission einen entsprechenden Vorschlag für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage gemacht hat, der jedoch in Arbeitsgruppen hängengeblieben sei: "Wir versuchen, im Juni einen neuen Anlauf zu nehmen, damit diese Diskussion weitergeführt wird."

"Es ist für Unternehmen eine wichtige Aufgabe, ihren Beitrag für die Gesellschaft zu leisten", nimmt Evelyn Regner, SPÖ-Abgeordnete im Europäischen Parlament, die Konzerne in die Pflicht. "Wenn Unternehmen ihren Sitz in Österreich haben und hier tätig sind, dann sollen sie auch hier Steuern zahlen – und nicht in einer Steueroase."

Mitgliedsstaaten uneins

Eine Absage erteilt Zourek einem einheitlichen Steuersystem für Unternehmensgewinne: "Das ist eine wundervolle Utopie, aber ich halte die Idee für völlig illusorisch." Selbst bei der Diskussion um einen gemeinsamen Mindeststeuersatz sei ein Drittel der Mitgliedsstaaten dagegen und ein weiteres unentschlossen. "Die Antwort kann nicht auf EU-Ebene gegeben werden, sondern nur durch Zusammenarbeit der einzelnen Mitgliedsstaaten, die ihre Steuerhoheit nicht aufgeben möchten."

Die gesellschaftlichen Folgen der Steuervermeidungsstrategien sieht Schratzenstaller in der Tendenz zu höheren Steuern für die breite Bevölkerung: "Wenn die einen mobil sind und ihren Steuerpflichten auf legale oder illegale Weise nicht nachkommen, dann holt man sich es eben bei jenen, die weniger mobil sind – sprich bei den Arbeitseinkommen und beim privaten Konsum." Das will Regner so nicht hinnehmen: "Wichtig ist, dass handfeste Konsequenzen gezogen werden", unterstreicht sie in der von Andreas Schnauder, Leiter des STANDARD-Wirtschaftsressorts, moderierten Diskussion. "Das Europäische Parlament wird sicher sehr lästig bleiben." (Alexander Hahn, derStandard.at, 17.4.2015)