"Lehrer von Teach for Austria würden nie sagen, dass ein Kind deshalb nichts gelernt hat, weil es faul oder dumm ist oder nicht genug Deutsch kann. Solche Ausreden gelten nicht", sagt Adib Reyhani.

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Wien - Adib Reyhani war in seinem Job frustriert. "Am Schluss habe ich mich ein Jahr lang jeden Abend gefragt, was ich eigentlich geleistet habe", sagt er. Der Volkswirt hat vier Jahre lang in drei verschiedenen Jobs als Unternehmensberater gearbeitet. Analysen zu schreiben und "abstraktes Geld hin- und herzuschieben" hat ihn gelangweilt. Also entschied er sich dafür, benachteiligte Schüler zu unterrichten.

Möglich wurde dieser Karrierewechsel für Reyhani durch die Initiative "Teach For Austria". Das Projekt ist Teil des internationalen Netzwerks "Teach For All", das in 35 Ländern tätig ist. Die Idee dahinter: Talentierte Hochschulabsolventen und junge Menschen, die bis zu fünf Jahre Berufserfahrungen gesammelt haben, unterrichten für zwei Jahre an Schulen, deren Schüler sozioökonomisch benachteiligt sind oder Migrationshintergrund haben. In Österreich haben nur sieben Prozent der Studienanfänger einen Vater mit Pflichtschulabschluss, aber 22 Prozent einen Vater mit Hochschulabschluss. Seit 2012 gibt es die Initiative in Wien und Salzburg. Teach For Austria finanziert sich über private Sponsoren und öffentliche Subventionen.

Keine Ausreden

Reyhani ist einer der wenigen, die das Aufnahmeverfahren des Programms geschafft haben. Nur einer von zehn Bewerbern wird aufgenommen. In wenigen Wochen lernen die Fellows, wie sie später unterrichten sollen. "Die Ausbildung war sehr dicht und fordernd", sagt Reyhani. Das Kernelement des pädagogischen Konzepts erklärt der Steirer so: "Lehrer von Teach For Austria würden nie sagen, dass ein Kind deshalb nichts gelernt hat, weil es faul oder dumm ist oder nicht genug Deutsch kann." Solche Ausreden dürften nicht gelten. "Man muss sich fragen, wie man den Unterricht ändern kann, so dass jedes einzelne Kind folgen kann."

Er habe das geschafft, indem er die Schüler im Wirtschaftsunterricht vorkommen ließ. "Das war dann die Bank von Fatih oder die Schokofabrik von Aylin."

Reyhani hat zwei Jahre lang an einer Neuen Mittelschule im zehnten Wiener Gemeindebezirk unterrichtet. Auch heute ist er dort noch aktiv. Nach dem Ende seiner Tätigkeit für Teach For Austria hat er das Start-up "The Things We Learn" gegründet, Teach for Austria unterstützt ihn. Reyhani will künftig Schulen mit sozioökonomisch benachteiligten Schülern dabei unterstützen, neue Technologien richtig einzusetzen.

Im Unterricht hat Reyhani öfter sein Tablet mitgenommen. "Ich habe gesehen, welches Potenzial die Technologie für die Schüler hat." So hätten etwa Burschen, die sich nie am Mathematik-Unterricht beteiligt hatten, begeistert Grundrechnungsarten auf einer App geübt. "Die Technologie erlaubt es ihnen, spielerisch zu lernen - viel mehr, als das Papier und Bleistift tun." Mit der Mathe-App konnten die Schüler in ihrem Tempo lernen.

Einstellung ändern

In seiner ehemaligen Neuen Mittelschule in Favoriten wurde eine Klasse als Pilotprojekt von Samsung mit Tablets und einer interaktiven, digitalen Tafel und WLAN ausgestattet. "Mobile Geräte sind die Realität der Kinder, es ist die Welt, in der sie leben. Die Schule muss das widerspiegeln und sie dort abholen, wo sie sind."

Wenn Reyhani einen Änderungswunsch an das österreichische Bildungssystem frei hätte, würde er vor allem die Einstellung der Lehrer, Eltern und Politiker ändern. "Jedes Kind hat großes Potenzial. Nur durch Erziehung und Bildung kann es dieses entfalten und so einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Wenn man das zur Handlungsmaxime in allen Köpfen machen könnte, dann würde das sehr viel bewirken."

Reyhani ist mit der Entscheidung, Lehrer für Teach For Austria zu werden, sehr zufrieden. "Das war mein vierter Job nach der Uni und hat alles andere, was ich bisher gemacht habe, in den Schatten gestellt." (Lisa Kogelnik, DER STANDARD, 21.4.2015)