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Juha Sipilä (53) hat die Qual der Regierungswahl.

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Helsinki/Wien - Die Wahlen in Finnland haben am Sonntag ein teils erwartetes, teils überraschendes Ergebnis gebracht: Während die Umfragen den Sieg der offiziell liberalen, von ihrer Struktur und Geschichte her aber eher pragmatisch-konservativen Zentrumspartei korrekt voraussagten, kam die Nachricht, dass die rechtspopulistische "Partei der Finnen" künftig im Parlament die zweithöchste Zahl an Abgeordneten stellen wird, für viele völlig unerwartet.

Niederlage für Kurzzeit-Regierungschef

Bis zur Wahl lagen die Rechtspopulisten, die ein gemäßigtes Image pflegen, aber einen nicht geringen Anteil ihrer Wähler aus dem ausländer- und islamfeindlichen Milieu beziehen, mit 14 bis 15 Prozent in den Umfragen konstant um die zwei Prozentpunkte hinter den bisher regierenden Konservativen und den Sozialdemokraten.

Für die beiden Letztgenannten setzte es am Sonntag jeweils herbe Niederlagen: Sowohl Kurzzeit-Regierungschef Alexander Stubb - der vormalige Außenhandels- und EU-Minister war erst vergangenen Sommer für den in die EU-Kommission nach Brüssel wechselnden Jyrki Katainen eingesprungen - als auch der Hoffnungsträger der seit einem Jahrzehnt rückläufigen Sozialdemokraten, Finanzminister Antti Rinne, hatten am Wahlabend wenig zu lachen. Zumindest einem von Ihnen wird der Gang in die Opposition vermutlich nicht erspart bleiben.

Entscheidende Wochen ...

Die kommenden Wochen werden für die Zukunft Finnlands eine Weichenstellung bringen. Von der Zusammensetzung der Regierung hängt nämlich unter anderem ab, ob sich das Land weiter auf einem wirtschaftsliberalen, EU-freundlichen Kurs bewegen oder eher nach innen wenden wird. Auch die Zukunft der Atomenergie in Finnland, die Sozialpolitik, das transatlantische Verhältnis, jenes zu Nachbar Russland und viele andere Fragen hängen davon ab.

Grundsätzlich hat der als erfolgreicher IT-Unternehmer reich gewordene 53-jährige Zentrumsvorsitzende Juha Sipilä alle Trümpfe in der Hand. Er könnte mit dem vorläufigen Endergebnis der Wahlen sowohl rechts als auch links verschiedene stabile Mehrheiten zustande bringen. Regierungswillig haben sich prinzipiell alle acht Parlamentsparteien gezeigt.

... für die Regierungsbildung

Obwohl er bisher keine Präferenz geäußert hat, deutet einiges darauf hin, dass sich Sipilä für eine der drei folgenden Varianten entscheiden wird: Die eine wäre eine "bürgerliche" Zusammenarbeit mit den Konservativen und den Abgeordneten der konservativen Kleinparteien. Eine solche Regierung hätte - ohne die Hilfe der Grünen - aber nur eine hauchdünne Mehrheit. Dies dürfte somit angesichts der Wirtschaftsflaute und der damit verbundenen, anstehenden Reformen in sämtlichen Gesellschaftsbereichen nicht angebracht sein.

Die zweite - nach Meinung vieler Finnen wahrscheinlichste - Variante wäre eine breite Koalition mit Rechtspopulisten und Sozialdemokraten. Diese drei Parteien hätten zusammen eine solide Mehrheit von 120 der 200 Stimmen im Parlament. Ideologisch stehen sich das Zentrum und die Partei der Finnen recht nahe. Beide Parteien wurzeln im ländlichen Milieu, sind in unterschiedlichem Ausmaß eher Brüssel-skeptisch und von ihren Gesellschaftswerten her erzkonservativ. Da beide auch in hohem Ausmaß für eine Erhaltung eines nationalen Wohlfahrtssystems sind, ließen sich mit Sozialdemokraten durchaus Kompromisse erzielen.

Kluft zwischen "EU-Nerd" und Skeptikern

Dass Sipilä eine noch eine Spur breitere Rechtskoalition mit den geschlagenen Konservativen und der "Partei der Finnen" bildet, gilt als weniger wahrscheinlich. Zu weit liegen der neoliberal-transatlantische Kurs des "EU-Nerds" (so seine launige Selbstbezeichnung) Stubbs und die EU-Skepsis sowie die bodenständige, heimatorientierte Ausrichtung von Soinis und Sipiläs Parteien auseinander. (Andreas Stangl, DER STANDARD, 21.4.2015)