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Provokanter Vizepremier Putins: Dmitri Rogosin (rechts).

Foto: APA/EPA/ALEXEI DRUGINYN / RIA NOVOSTI / KREMLIN

Russland "ertastet seine Grenzen", beschreibt der Moskauer Politologe Fjodor Lukjanow das Vorgehen des Kremls auf der Krim und in der Ostukraine. Stets vorweg beim Austesten neuer Grenzen ist der für Rüstung zuständige Vizepremier Dmitri Rogosin. Nun hat der auf der Sanktionsliste der EU und Norwegens stehende Politiker der Inselgruppe Spitzbergen einen Überraschungsbesuch abgestattet.

Eigentliches Ziel der Reise war die frisch eröffnete treibende Polarstation "Nordpol 2015" in der Arktis, dem "russischen Mekka", wie Rogosin die rohstoffreiche, derzeit aber noch keinem Anrainerstaat zugeschlagene Eiswüstenregion per Twitter vereinnahmte.

Schwarze Liste

Doch der Zwischenstopp in Longyearbyen hat ein diplomatisches Nachspiel: Am Montag berief Oslo den russischen Botschafter ein und forderte eine Erklärung über den Besuch. Grundsätzlich gelte auf Spitzbergen wegen seines Sonderstatus zwar Visafreiheit für Russen, doch habe Norwegen bereits vorher klar gemacht, dass es keine auf der schwarzen Liste aufgeführten Personen auf seinem Territorium wünsche, erläuterte ein Ministeriumssprecher den Unmut. Zukünftig würden die Kontrollen verschärft, fügte er hinzu.

Während Rogosin nur spottete, es sei sinnlos, nach dem Kampf die Fäuste zu schwingen, reagierte das russische Außenministerium auf die Botschaftereinberufung seinerseits pikiert: Die Reaktion rufe Unverständnis hervor. "Sie ist vom Standpunkt des Internationalen Rechts aus unerklärlich und absurd", erregte sich Vizeminister Alexander Lukaschewitsch. Rogosin habe bei seinem Besuch gegen kein Gesetz verstoßen, einseitige Sanktionen setzten den Spitzbergen-Vertrag nicht außer Kraft, fügte er hinzu.

Tornado an der Nordgrenze

Russlands Beziehungen zu den skandinavischen und baltischen Ländern gelten derzeit ohnehin als gespannt. In einer gemeinsamen Erklärung der Verteidigungsminister mehrerer Nordländer war zuletzt von einer "russischen Bedrohung" die Rede.

In Estland hat nun ein fünftägiges Militärmanöver unter dem Namen "Tornado" begonnen, an dem auch Soldaten einer US-Fallschirmbrigade teilnehmen.

Offiziell reagierte die Moskauer Führung nicht darauf. Der russische Politologe Geidar Dschemal sprach angesichts des Manövers und der Rogosin-Visite auf Spitzbergen von beidseitigen "Kraftdemonstrationen". (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 21.4.2015)