JSBX: Freedom Tower– No Wave Dance Party 2015 (Bronzerat)
Cover: Bronze Rat

Jon Spencer Blues Explosion: Freedom Tower – No Wave Dance Party 2015

Auf die Ballade werden wir weiter warten müssen. Sie ist im Programm der Jon Spencer Blues Explosion nicht vorgesehen. Aber allein dass einem der Gedanke im Zusammenhang mit der New Yorker Rabiatperle kommt, zeigt schon: Irgendetwas ist anders am zehnten Album des Trios.

Zum einen klingt Jonathan Spencer nicht, als wäre er gerade 400 Meter Sprint gelaufen und hätte dabei eine Stange Camel ohne weggeraucht. War sein Gesang in der Vergangenheit oft nur ein atemloses Japsen im Auftrag eines am Anschlag gespielten Blues-Punk, ist er auf Freedom Tower ... nachgerade verständlich. Wobei die Feel-good- und Feel-bad-Slogans nicht von elementarer Bedeutung für den Konsum dieser Musik sind. "Come on, let’s go, I feel all right ..." – diese Abteilung.

Mom+Pop Music

Dennoch erlaubt sich die Band mit dem heruntergefahrenen Puls von höchstens 160 eine selten gehörte Musikalität. Da werden kleine Instrumentals eingestreut, die einen fast schon umschmeicheln. Die angedeutete Sperrigkeit über die im Titel zitierte No Wave löst die Band nicht ein, und das ist gut so. Zu oft führte sie in der Vergangenheit ihre Songs über die Klippe. Im Vergleich sind Titel wie Down And Out fast schon Balladen, sind Lieder wie Crossroad Hop oder Wax Dummy fast schon Pop. Also so Pop, wie Jimi Hendrix es bei den Beastie Boys wäre. Dabei läuft das seit den 1990ern existierende Projekt nie Gefahr, in die Gefilde ähnlicher, aber ungleich beliebigerer Unternehmungen abzudriften. Stichwort: G. Love & Special Sauce.

Dazu sind Spencer, Judah Bauer und Russell Simins zu sehr Punks im Herzen. Im Jahr 104 der Zeitrechnung nach Robert Johnson ist Freedom Tower ... eines der besten Alben bisher. (flu)

Dariush Dolat-Shahi – Electronic Music, Tar and Sehtar (New Edition) (Dead-Cert)
cover: Dead-Cert

Dariush Dolat-Shahi: Electronic Music, Tar and Sehtar (New Edition)

Dieses nichts weniger als legendäre Album des iranischen Elektronikpioniers Dariush Dolat-Shahi zählte jahrzehntelang zu einem der begehrtesten Sammlerstücke im Paralleluniversum der Plattensammler und Vinyl-Freaks. Abgesehen vom Seltenheitswert dieser 1985 nachts in den Kellerstudios des Electronic Music Center der Columbia-Universität in Princeton aufgenommenen Stücke, die bis heute weniger zeitlos als vielmehr immergrün-futuristisch klingen: Obskurität ist nicht das eigentliche Thema dieser im Viertelstundenbereich angesiedelten Kompositionen. Mit einer Kombination aus Modular-Synthesizern, diverser elektronischer Gerätschaft und traditionellen Instrumenten beziehungsweise Soundquellen aus seiner Heimat schuf der vor der Revolution im Iran hochangesehene und nach ihr im US-Exil lebende Komponist Dariush Dolat-Shahi atemberaubende Musik. Sie flottiert frei zwischen strenger, auch technisch bedingter Formgebung, Improvisation und durchaus pfiffigen Klängen. Sie erinnert mitunter an Zeichentrickfilm-Soundtracks, wie man sie aus einer Kindheit kennt, die in den 1970er-Jahren erlitten wurde. Manchmal scheppert es auf Saiteninstrumenten wie der Oud auch ganz gewaltig.

Es klingt dann ein wenig, als ob man eine Kiste Banjos aus geringer Flughöhe über Teheran abgeworfen hätte. Am beeindruckendsten aber ist während dieser atmosphärisch noch Platz zum Schwelgen und Tagträumen lassenden Kompositionen ein Gefühl der Weite. Dieses stellt sich sogar auf damals engem elektronischem Speicherplatz ein. Dem Dead-Cert-Label ist es zu verdanken, dass diese wunderbare Musik nun wieder zu einem vernünftigen Preis auf Vinyl erhältlich ist. (schach, Rondo, DER STANDARD, 25.4.2015)