Wölfe gehen wesentlich tolernater miteinander um als man gemeinhin annehmen würde. Hunde verhalten sich im Vergleich viel strikter, wenn es um die Rangordnung geht.

Foto: STANDARD/Cremer

Wien - In der allgemein verbreiteten Vorstellung gelten Hunde als tolerant und nicht so aggressiv wie Wölfe - doch dies ist ein Mythos, den nun Wissenschafter der Veterinärmedizinischen Universität Wien und des Wolfsforschungszentrums Ernstbrunn (NÖ) widerlegen konnten. Im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B" berichten sie, dass Wölfe sogar nachsichtiger miteinander umgehen als Hunde - zumindest wenn es ums Futter geht.

Die Domestizierung der Hunde begann vor rund 15.000 Jahren. Man geht davon aus, dass die Menschen tolerante Tiere bevorzugten und sich so kooperative und wenig aggressive Hunde entwickelten. Aufbauend darauf wurde von Wissenschaftern vorgeschlagen, dass diese Fähigkeiten auch für die Beziehung zwischen Hunden gelten.

Ob Hunde tatsächlich auch zu ihren Artgenossen weniger aggressiv und toleranter sind als Wölfe, haben Friederike Range und Zsofia Viranyi vom Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni untersucht. Sie arbeiteten dazu mit von Menschen aufgezogenen und in Hunde- und Wolfsrudel gehaltenen Tieren (neun Wölfe, acht Mischlingshunde) am Wolf Science Center in Ernstbrunn.

Sowohl bei Wölfen als auch bei Hunden gibt es eine "lineare Dominanzhierarchie", sagte Range. An der Spitze der Rangordnung steht das Alpha-Tier, dann kommt ein Hund bzw. Wolf nach dem anderen. In den Versuchen wurden je ein ranghöheres und ein rangniedrigeres Tier gemeinsam gefüttert. In einer Versuchsanordnung erhielten die Tiere in einer Futterschale Fleischstücke, in der anderen einen großen Knochen. Sowohl Schale als auch Knochen waren groß genug, dass zwei Tiere davon fressen konnten, aber auch klein genug, um auch nur von einem Tier alleine in Anspruch genommen werden zu können.

Widerstand gegen ranghöhere Tiere

Bei den Wölfen haben sich rangniedrigere von ranghöheren Tieren nicht einschüchtern lassen, ihren Anteil am Futter verteidigt und waren ebenso oft aggressiv wie ranghöhere Artgenossen. Bei den Hunden dagegen hielten sich rangniedrige Tiere zurück und akzeptierten, dass die ranghöheren das Futter für sich beanspruchten. Insgesamt zeigten allerdings weder Wölfe noch Hunde sehr viel Aggression (nur in einem Drittel der Versuche) - und wenn, dann hauptsächlich in Form von Drohverhalten.

"Offensichtlich ist bei Hunden die Sensitivität gegenüber einem höheren Rang stärker als bei Wölfen", sagte Range. So könnten bei den Wölfen auch niederrangige Tiere protestieren und dominante Artgenossen würden dies tolerieren. "Wölfe sind in der freien Wildbahn darauf angewiesen, miteinander zu kooperieren, sie jagen zusammen und ziehen ihren Nachwuchs gemeinsam auf. Toleranz scheint hier wichtig zu sein", sagte Range.

Selektionskriterium Gehorsamkeit

Schon in mehreren Untersuchungen haben Range und Viranyi gezeigt, dass Wölfe keineswegs weniger kooperativ, tolerant oder sozial aufmerksam als Hunde sind. Diese Fähigkeiten der Wölfe könnten die Basis der Mensch-Hund-Beziehung sein, vermuten die Wissenschafter. Sie gehen davon aus, dass der Mensch bei der Domestizierung des Wolfs wahrscheinlich möglichst gehorsame Tiere selektierte. In der Beziehung zwischen Hund und Mensch gehe es eher darum, ohne Konflikte miteinander zu leben und nicht um Gleichberechtigung. Mit seiner Fähigkeit, die Führung anderer zu akzeptieren, wurde der Hund zum gehorsamen Partner des Menschen. (APA/red, derStandard.at, 24.4.2015)