Wien - Die Klubobleute der sechs Parlamentsparteien halten ihre Erklärung zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren für richtig und wichtig - auch wenn die türkische Gemeinde in Österreich dagegen protestiert. Man habe niemanden - auch die Türkei - nicht kränken wollen, aber die Wahrheit müsse ausgesprochen werden, war der Tenor einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch.

Die türkischen Verbände in Österreich sprechen in Inseraten in mehreren Tageszeitungen von Kränkung und Enttäuschung - weil in der Sechs-Parteien-Erklärung die Verfolgung und Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern durch die osmanische Regierung vor 100 Jahren unumwunden als "Genozid" bezeichnet wird.

"Dinge beim Namen genannt"

"Es geht nicht darum, irgendjemanden zu kränken", betonte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. In der "diplomatischen Welt" kreise man um Ausdrücke, aber "wenn es zu einem Völkermord gekommen ist, muss man es so bezeichnen". Man sei von türkischer Seite vielfach kontaktiert worden. Natürlich führe man den Dialog - "aber die Dinge gehören auch beim Namen genannt, das wird durch ein Gespräch nicht verhinderbar sein".

"Sehr sehr ernst" nehme man die Sensibilität der türkischen Seite, versicherte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Die Erklärung sei keine Provokation gegen die Türkei oder die hier lebenden Türken. Es gelte jedoch, "etwas, was wie ein Genozid aussieht, als solcher zu bezeichnen ist". Nach einigen Gesprächen mit dem türkischen Botschafter ist er schon "viel hoffnungsfroher".

Schärfer äußerte sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache : Die Wahrheit könne "vielleicht für manche kränkend sein und Gefühle verletzten, wird dadurch aber nicht weniger wahr und muss ausgesprochen werden". Er sprach von einem "kuriosen Geschichtsbild" und erinnerte daran, dass sich der türkische Präsident Erdogan auf das osmanische Reich berufe.

Strache fühlt sich als Initiator

Auch innenpolitisch war Strache - der sich und die FPÖ als Initiator der Armenien-Stellungnahme hervorstrich - kritisch: Er würde sich eine solche Erklärung auch von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wünschen. Und Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) hätte seiner Ansicht die Erklärung im Plenum verlesen müssen. Dagegen hätte nichts gesprochen, hieß es in ihrem Büro, aber es habe niemand verlangt. Strache hatte nur angeregt, dass Bures auf die Erklärung "eingehen" solle, und das hat sie getan.

Ziel sei die Aussöhnung zwischen der Türkei und Armeniens, Österreich sollte verstärkt Hilfe dafür anbieten, regte Grünen-Chefin Eva Glawischnig an. Außerdem mahnte sie politische Aktivität angesichts aktueller humanitärer oder Flüchtlingskatastrophen ein.

"Völkermord verjährt nicht", hält Team-Stronach-Klubobfrau Waltraud Dietrich die Aufarbeitung der Geschichte für nötig, damit "später Versöhnung stattfinden kann".

Österreich habe ebenfalls eine sehr schmerzhafte Geschichte und könne nicht gerade als Vorbild für die Aufarbeitung dienen. "Aber wir haben unseren Weg gefunden", stellte NEOS-Chef Matthias Strolz fest. Die Erklärung sollte Auftakt für eine neue Etappe des Austauschs und der Begegnung sein - sei doch die Türkei ein "ganz zentraler Partner für die EU". (APA, 22.4.2015)