Wien - Weil auch in österreichischen Gefängnissen die Zahl der Islamisten steigt, berät Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) am Donnerstag mit internationalen Experten im Rahmen eines Symposiums über Deradikalisierungsmaßnahmen im Strafvollzug. Derzeit sitzen in Österreich 33 Personen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder Finanzierung von Terrorismus in den Gefängnissen, 29 davon in U-Haft. Im Februar waren es noch 17 gewesen.

Alle Anstaltsleiter anwesend

Weil es im Umgang mit verurteilten Jihadisten einen professionellen Weg zwischen Separation und und ihrer Resozialisierung zu finden gilt, nehmen auch sämtliche Justizanstaltsleiter an der Tagung teil. Dazu will Brandstetter "das schwierige Thema" nicht mit "Vereinfachungsformeln" angehen, wie er sagt, "sondern wissenschaftlich".

Um die Justizwache entsprechend zu sensibiliseren, sollen unter anderem Handlungsanleitungen erarbeitet werden, wie bei erkennbaren radikalen Tendenzen vorzugehen ist, denn: Oft kommen junge Menschen wegen Delikten wie Raub oder Körperverletzung in Haft - und werden dort erst mit dem Gedankengut von bereits inhaftierten Islamisten infiziert, wie auch die Biografien der Attentäter in Paris wieder zeigten.

1.490 Bedienstete des Justizressorts erhielten in den vergangenen Jahren deswegen bereits entsprechende Schulungen, dazu werden mutmaßliche Jihadisten durch islamische Seelsorger, aber auch Psychologen und Sozialarbeiter betreut.

Zwei Problemgruppen

Alexander Brammann vom Violence Prevention Network führt in Deutschland seit Jahren Antigewaltarbeit mit extremistisch motivierten Gewalttätern durch. Der Teilnehmer am Symposium macht zwei Problemgruppen in den Gefängnissen aus: bereits ideologisierte Insassen, die versuchen, Mithäftlinge auf ihre Seite zu ziehen – und eben junge Menschen, die wegen anderer Taten in Haft sitzen, aber leicht ansprechbar sind. Hier gelte es für Sozialarbeiter, die Chancen des geschlossenen Systems zu nutzen und die Vereinfachung von Ideologien sowie ausgesprägte Männlichkeits- und Ehrkonzepte zu dekonstruieren.

Ahmad Mansour von der European Foundation for Democracy in Brüssel, der auch in Deutschland an Deradikalisierungsprojekten mitwirkt, analysiert, dass derzeit bei auffälligen Jugendlichen mitunter die Salafisten "die besseren Sozialarbeiter sind". Viele jugendliche Straftäter seien nämlich auf der Suche nach Orientierung und Halt – und hätten, wenn dem nicht entgegengewirkt wird, das Gefühl, dass sie nicht im Gefängnis sitzen, weil sie ein Gesetz gebrochen haben, sondern weil sie Muslime sind.

Kein Verständnis vom Islam

Per 1. April waren in Österreich von 8.906 Gefängnisinsassen 20 Prozent Muslime, davon 1.207 Personen in Strafhaft und 470 in U-Haft. Aber auch Jugendliche ohne Migrationshintergrund sind mitunter in den Haftanstalten gefährdet, wie Minister Brandstetter bestätigte, denn: "Es geht bei den sogenannten Islamisten um Menschen, die vom Islam gar nichts verstehen." (Nina Weißensteiner, derStandard.at, 23.4.2015)