Wien – Paulina wird auf der Rettungstrage in der Garage der Wiener Berufsrettung mit drei Gurten angeschnallt; für Oberkörper, Hüfte und Beine. "Unten müssen wir etwas schummeln, weil du so klein bist", lacht eine der Sanitäterinnen. Die 13-jährige Schülerin wird von den Sanitäterinnen mithilfe der anderen Mädchen in den Krankenwagen geschoben – und wieder hinaus. Obwohl es nur eine Übung ist, klammert sich die Schülerin an den Halterungen an der Seite der Trage an. Etwas beruhigt steigt sie wieder von der Trage. Ihre Freundin reicht ihr die kleine grüne Tasche, die sie als Begleitperson aufbewahrt hat.

Zwei Stöcke höher sitzt Inga in einem abgetrennten Katastrophenraum. Durch die Glastüre blickt sie auf elf Arbeitsplätze mit Telefon und Computer. An fünf von ihnen leuchten rote Lämpchen. Die Männer telefonieren. Auch Inga zückt ihr Handy. Sie wählt die 144, und ein weiteres Lämpchen blinkt. Die zwölf Jahre alte Schülerin erzählt dem Disponenten, was passiert ist. Ihre Freundin sei ohnmächtig geworden. Nach einem standardisierten Protokoll werden ihr Fragen zum Zustand der Freundin gestellt. "Ich habe mir das stressiger vorgestellt", sagt sie nachher.

Auf einem der Bildschirme vor ihr zeigt ihr der Mitarbeiter der Rettung noch, auf welcher Straße sich der nächste Krankenwagen befände und in welchem Krankenhaus das nächste freie Bett. "Mich hat die Anzahl der Einsätze überrascht, man sieht ja am Tag höchstens ein Rettungsauto", sagt sie. Zwischen 2.500 und 3.000 Gespräche führt die Notrufzentrale jeden Tag. 600 bis 800 Einsätze entstehen daraus – 160.000 im Jahr. Seit einem Jahr sind zusätzlich die Polizeiautos mit Defibrillatoren ausgestattet, die Behörde wird bei einem Herzstillstand automatisch kontaktiert.

Wenige Sanitäterinnen

"Im Verhältnis hat die Berufsrettung relativ viele Frauen, im Gegensatz zu anderen Einsatzorganisationen", sagt Rainer Gottwald, Leiter der Berufsrettung Wien: "Wir legen viel Wert darauf, den Beruf bei uns für Frauen möglichst attraktiv zu gestalten." Die klassischen Gesundheitsberufe – Krankenpflegerin, Spitalsärztin oder Therapeutin – seien aber viel bekannter als die Möglichkeiten bei der Rettung. "Jede hat schon einmal Angehörige im Krankenhaus besucht oder musste dort selbst versorgt werden. Dort haben sie diese Berufsgruppen kennengelernt", sagt Gottwald. Im Gegensatz dazu seien viele noch nicht mit der Rettung in Berührung gekommen. Die Mädchen, die den Töchtertag bei der Rettung verbringen, sollen die Menschen in den Rettungsautos kennenlernen.

Foto: Regine Hendrich

Die Erfahrung anderer Einsatzkräfte habe gezeigt, dass sich mit mehr Frauen in den Teams das Betriebsklima verbessere. Auch in gewissen Einsatzsituationen, etwa wenn es um häusliche Gewalt gegenüber Frauen und Kindern gehe, würden diese sich leichter Frauen anvertrauen. "In vielen Situationen ist eine Frau die richtige Person am Platz."

In der Verwaltung der Berufsrettung ist die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiblich. 40 Prozent der Notärztinnen und Notärzte sind ebenfalls Frauen. Einzig an den Sanitäterinnen fehlt es: Sieben Prozent Frauen stehen 93 Prozent Männern gegenüber. "Hier haben wir noch Steigerungsbedarf, damit dieser Beruf ein interessanter Frauenberuf wird", sagt Gottwald.

Vorbilder für Mädchen

Eine der Frauen, die den Mädchen zeigt, womit der Rettungswagen eigentlich ausgestattet ist, ist Katja H. "Wir wurden damals in der Schule zu einem Erste-Hilfe-Kurs zwangsverpflichtet", erinnert sie sich. An vier Nachmittagen lernte die damalige Schülerin Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung.

"Ich habe mich immer auf die nächste Einheit gefreut und hatte Spaß am Lernen, das war nicht selbstverständlich", sagt die 22-Jährige. Sie meldete sich beim Roten Kreuz für einen Rettungssanitäterkurs an: "Irgendwann dachte ich, dass ich so viel Zeit in Rettungsautos verbringe, dass ich es gleich beruflich machen kann." Mittlerweile ist sie seit zwei Jahren als Sanitäterin bei der Berufsrettung tätig.

Für Julia wäre dieser Beruf nichts. Sie beobachtet aufmerksam, wie Kopfbandagen angelegt und Kinder in Wärmedecken gewickelt werden. Die 15-jährige Schülerin besucht in ihrer Schule einen Zweig zu Gesundheitscoaching. Da war es "naheliegend", den Töchtertag bei der Rettung zu verbringen, sagt sie. Spannend findet sie die Übungen und Spiele – besser als Schule allemal: "Wir können hier bei allem mitmachen, und es gibt nicht nur einen Frontalvortrag." Allerdings: "Ich kann kein Blut sehen." In Kuranstalten etwa müsse sie das auch nicht, darum würde sie lieber in diesem Bereich arbeiten. (Oona Kroisleitner, dieStandard.at, 23.4.2015)