Ein unheiliges Silvesterabendmahl à Paris: Andrei Viorel Tacu, Felix Hafner, Luka Vlatkovic und Stefan Gorski (v. li.) bewundern einen "Schlangenanus".

Foto: David Stöhr

Wien - Es gibt Autoren, die wurden vom Theater einfach vergessen. Raúl Damonte Botana (1939-1987) zum Beispiel, kurz Copi genannt. Die Werke des argentinisch-französischen Comiczeichners und Dramatikers trugen schon in den 1970ern Titel vom Zuschnitt eines René Pollesch (Mama steigt aus oder Loretta Strong greift nach den Sternen). Sie sind bevölkert von illustren Figuren, die ihr Elend mit Glamour auf Distanz halten und die sich triumphierend in ihrer Identität behaupten.

Zum Glück gibt es junge, spitzfindige Geister wie den Regiestudenten Evgeny Titov, der Copis Stück Das Schlagennest für das Max-Reinhardt-Seminar flottgemacht hat. Die famos-heitere, sich an der Dekadenz der verlorenen Geschöpfe genüsslich reibende Inszenierung war im Akademietheater zu Gast; Anfang Juni wandert sie zum Theatertreffen deutschsprachiger Schauspielstudierender nach Bochum.

In Das Schlangennest (1978; Original: La Tour de la Défense) werden Menschen zu Protagonisten, die von ihrem eigenen Sexualleben stets aus der Bahn geworfen werden. Sie "vergnügen" sich, gern nackt, in der mondänen Wohnung des schwulen Paares Luc und Jean. Jean (Andrei Viorel Tacu) verzehrt sich nach Luc (Stefan Gorski), wird von diesem aber nur verscheucht. Der Transvestit Micheline (Felix Hafner) hat sich Ahmed (Luka Vlatkovic) von der Straße geholt, um zu Silvester einen Gefährten zu haben. Und die schöne Daphnee (Pauline Fusban) ist, weil ebenfalls scharf auf Luc, ständig auf Drogen. Sie tat benebelt ihrem eigenen Kind etwas an.

Im Naheverhältnis von heiter-ausgelassenem Treiben und realer Katastrophe schwelt die Dramatik des Abends. Das Geschehen übersteigert sich bis ins Irreale, was wahr ist und was eingebildet, bleibt offen. Über den Schmäh des Autors gibt aber Folgendes Aufschluss: Als Höhepunkt wird eine im Badezimmer erlegte Boa constrictor verkocht ("Das ist wunderbar!") und deren "Anus" in einem unheiligen Abendmahlbild als Delikatesse gerühmt. Dass es tatsächlich das letzte gemeinsame Mahl gewesen sein wird, weiß man da noch nicht.

Ein weiteres Gastspiel führte Reinhardt-Seminaristen dieser Tage an das Josefstadt-Theater. Mit Clockwork Orange (Fassung und Regie: Felix Hafner) hob ein kleiner, in seinen Mitteln minimalistischer Abend an, der in seinem Erzähltheatergestus vor allem gegen die Vorhersehbarkeit seiner Grundlage von Stanley Kubrick anzukämpfen hatte. Dennoch: Felix Hafner hat allein mit der klugen Stückfassung Schwerwiegendes geleistet. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 24.4.2015)