STANDARD: Wann waren Sie das letzte Mal privat im Wirtshaus?

Leitl: Ich bin jeden Sonntag beim Ochsenwirt in Neumarkt im Mühlkreis.

STANDARD: Kriegen Sie dort immer eine echte Rechnung, also keinen Kassabon oder einen handgeschriebenen Wisch?

Leitl: Selbstverständlich, ja. Die haben auch eine Registrierkasse.

STANDARD: Ich bekomme in aller Regel keine: Ist das kein Hinweis, dass nicht korrekt abgerechnet wird, was für die generelle Registrierkassenpflicht sprechen würde?

Leitl: Es gibt keinen Bereich im menschlichen Leben, wo alles 100 Prozent korrekt abgewickelt wird. Darüber kann man diskutieren. Aber dann soll man ehrlich diskutieren. Ich wehre mich, wenn man sagt: Ein Wirt, der nur mit einem gewissen Schwarzanteil über die Runden kommt, hat ein Pech, wenn er seine Existenz verliert. Aber beim privaten Pfusch müssen wir ein Auge zudrücken, weil es sich die Leute sonst nicht leisten können. Das ist eine inkonsistente Argumentation.

Christoph Leitl geht in seine vierte Periode als Präsident der Bundeswirtschaftskammer
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STANDARD: Also ein bissl Pfusch auch bei den Unternehmern?

Leitl: Man muss sich entscheiden: Wer dafür eintritt, dass wir die Dinge völlig im legalen Bereich machen, muss das konsequent in allen Bereichen durchsetzen. Und nicht nur beim schwächsten Teil, den kleinen Wirten, die ums Überleben kämpfen. Dann muss man auch stärker gegen den privaten Pfusch vorgehen.

STANDARD: Das Rauchverbot hat Ihr früherer Vizegeneralsekretär Mitterlehner ausgehandelt, die Registrierkassenpflicht, die Aufhebung des Bankgeheimnisses und die höhere Mehrwertsteuer im Tourismus Ihr früherer Stellvertreter Schelling. Wird man erst außerhalb der Kammer mutig?

Leitl: Nein. Die Grundlinie der Steuerreform ist ja auch stimmig, und Substanzbesteuerung wurde abgewehrt. Ich verlasse mich aber auf den Bundeskanzler, dass im Detail noch Verhandlungsspielraum besteht. Was ich mir noch stärker gewünscht hätte, wären mehr Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Wir steuern auf eine Horrorzahl von 500.000 Arbeitslosen zu. Die werden wir nur dann nicht erreichen, wenn unser Wachstum deutlich besser wird als prognostiziert. Ein Wachstum wie in Deutschland würde 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze bedeuten.

STANDARD: Man könnte auch sagen: Die neue ÖVP-Spitze geht die Sache unideologisch an. Man sagt beim Raucherthema: Der Schutz der Gesundheit ist wichtiger als ökonomische Interessen.

Leitl: Wir haben in der Kammer immer einen sehr pragmatischen Zugang. Ideologie spielt da überhaupt keine Rolle. Das ist auch keine Frage: Profit oder Gesundheit. Es gibt Möglichkeiten, die Gesundheit zu sichern und trotzdem das Rauchen für jene zu ermöglichen, die das wollen.

Bei Details der Steuerreform will Leitl noch nachverhandeln
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STANDARD: Die Mitarbeiter in den Lokalen haben bei der jetzigen Regelung aber keine Wahlfreiheit.

Leitl: Man könnte ja sagen: Rauchen ist nur dort erlaubt, wo kein Mitarbeiter betroffen ist. Also in Lounges, wo kein Essen und Trinken serviert wird. Für Hotels ist eine solche Ausnahme geplant. Warum nicht für Lokale?

STANDARD: Sie beklagen stets die Belastung der Wirtschaft. Warum entlasten Sie Ihre Mitglieder nicht durch eine Senkung der Kammerumlage, die jährlich mehr als eine halbe Milliarde Euro ausmacht?

Leitl: Da laufen Sie bei mir offene Türen ein. Wir haben bereits die Beiträge um 30 Prozent gesenkt. Das war eine meiner ersten Maßnahmen in der Wirtschaftskammer.

STANDARD: Das ist aber doch schon etwas länger her ...

Leitl: Wir haben auch die Zahl der Fachorganisationen um 30 Prozent gesenkt, gleichzeitig ihre Outputleistung für die Mitglieder um 30 Prozent erhöht. Und wir haben im vergangenen Jahr in 30 definierten Schnittstellen zwischen Bundes-, Landes- und Fachorganisationen 15 Prozent Synergieeffekt erzielt.

STANDARD: Trotzdem sind die Einnahmen der Kammer in den letzten zehn Jahren wesentlich stärker als die Inflation gestiegen. Da gäbe es noch Spielraum.

Leitl: Sie haben Recht, es ist Spielraum drin. Die erwähnten 15 Prozent an Synergieeffekten ergeben einen Einsparungsbetrag von zehn Millionen Euro. Damit könnte man die Kammerumlage reduzieren. Da dem Bildungsministerium Mittel fehlen, haben wir beschlossen, dieses Geld für kostenlose Begabungsanalysen für 13- bis 14-Jährige in ganz Österreich zur Verfügung zu stellen. Ich habe auch eine völlig neue Perspektive für die Kammer. Wir müssen unsere Organisationsstruktur so gestalten, dass sie der digitalen Welt bestmöglich entspricht. Die Fachgruppen werden also untereinander stärker vernetzt, damit sie die Mitglieder besser betreuen können.

Derzeit ist mit keiner Senkung der Kammerumlage zu rechnen
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STANDARD: Den Unternehmern wären aber wohl niedrigere Beiträge lieber als eine Netzwerkstruktur ...

Leitl: Für mich geht es jetzt primär um eine Leistungsverbesserung. Unsere kleinsten Mitglieder zahlen bereits weniger als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer an die Arbeiterkammer.

STANDARD: Auch das Wahlrecht der Wirtschaftskammer ist umstritten. Der ÖVP-Wirtschaftsbund hat in Wien nur die Absolute, weil Einheitslisten der ÖVP zugerechnet wurden und der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender Stimmen abgetreten hat. Eigentlich ziemlich undemokratisch, oder?

Leitl: Man kann alles diskutieren. Aber dann soll man es auch wirklich fair machen und sich nicht nur als schlechter Wahlverlierer erweisen.

STANDARD: Sehen Sie also Handlungsbedarf?

Leitl: Wenn jemand mit guten Vorschlägen kommt, schaue ich mir das an. Ich persönlich glaube aber: Wenn sich Listen zusammentun, ist das nichts Schlechtes. Das ist von allen so gehandhabt worden.

STANDARD: Noch zu einer anderen Wahl: Ihnen werden Ambitionen für die Bundespräsidentenwahl nachgesagt.

Leitl: Ich wüsste nicht, woraus das abzuleiten wäre. Ich muss schauen, dass wir die Wirtschaftskammer neu ausrichten, dass wir Wachstum stärken, Beschäftigung sichern und die notwendigen Neuerungen vornehmen. Da lege ich meinen Ehrgeiz rein.

STANDARD: Aber ist es auszuschließen, dass Christoph Leitl Kandidat wird? Warum fällt es Politikern so schwer, darauf eine klare Antwort zu geben?

Leitl: Aus einem einfachen Grund: Wenn einer etwas sagt, geht man zum Nächsten, dann zum Übernächsten. Ich will mich an dieser Diskussion grundsätzlich nicht beteiligen. (Günther Oswald, DER STANDARD, 25.4.2015)