Im reduzierten, konstruktivistischen Formvokabular treffen sich die Werke von Gregor Eldarb und Friedrich Biedermann.

Foto: Lona Gaikis, Raimund Deininger Gallery

Die Natur von Dichtung und bildender Kunst, das meinte zumindest Gotthold Ephraim Lessing, sei nicht vergleichbar. Denn die Poesie ordne Worte in ihrer Folge, also in einer Zeitlichkeit, die Malerei und Bildhauerei hingegen ihre Sujets und Mittel nebeneinander, also räumlich. Ausgedient hat die diskussionswürdige These des guten alten Lessing spätestens seit dem Moment, als die Bilder laufen lernten und nicht nur als kinematografisches Medium die Zeit eroberten, ja sich diese förmlich einverleibten.

Raum und Zeit bleiben allerdings gegensätzliche Naturen. Es ist zwar nicht Poesie, dafür aber die zeitliche Dimension des Lichts die der österreichische Künstler Friedrich Biedermann (geb. 1975) versucht, in das Koordinatensystem des Raums zu integrieren: quasi die vierte Dimension im dreidimensionalen Raum abbilden.

Nach den aus dem Vektorrechnen wohlbekannten Achsen X und Y benannt, ist daher sein kompaktes Lichtobjekt xy (2015). Es schmiegt den konkreten Achsen das Licht regelrecht an, die Stäbe sind mit Glasfasern - einem Biedermann liebgewordenen Medium - umhüllt. Freilich eine mehr symbolische Einverleibung von Zeit, so wie beim unter der Decke der Galerie schwebenden Orbiter (2015). Die Raumsonde gleicht der Form nach eher einem Papierdrachen, einem romantischen, da auch zarten Flugobjekt. Dessen Im-Raum-Sein wird durch das Fassen mit Lichtleiterfasern wieder in eine zeitliche Dimension gehoben.

Eine sehr illustrative, kompakte Übersetzung von Zeit in ein konkretes Objekt ist seine Objektcollage The End 17,28 seconds (2009). Ebendiesen Schriftzug hat er mit den Rahmen von 432 Dias nachgebaut: Als "Frames" im Film ergeben diese genau 17,28 Sekunden.

Zwischenquartier im Achten

All things considered heißt die Ausstellung in der Galerie von Raimund Deininger, der nach drei Jahren Viertelneun Gallery nun unter seinem Namen weiterarbeitet; bis August wird ein Projektraum im achten Bezirk bespielt.

Als Dialogpartner wählte sich Biedermann Gregor Eldarb (geb. 1971), der Raum jedoch weniger auffaltet, sondern ihn viel eher zurück ins Zweidimensionale bannt: Regelrecht an die Wand genagelt ist Cutting, ein unentschlossenes Hybrid aus Malerei und Objekt. Optisch scheint das schwarze Bildfeld einen imaginären Raum hinter der Wand zu öffnen.

Die bloße Existenz der Malerei durchkreuzt Eldarb auch mit Schnitten, die ein Aufwölben der Leinwand, eine Art Aufbegehren, bewirken. Techniken des Verunklarens wendete er bereits bei seinen Pappmodellen an: Modulstapel, die sich ohne prägnante Anfänge oder Enden auch ewig fortsetzen könnten. Es sind fragile Skulpturen, die mit dem Vokabular der Architektur flirten.

Stark vereinfacht ausgedrückt beschäftigt sich Eldarb mit den Kreisläufen der Bilder. Die Bildzitate, die der Künstler optisch ansprechend und in verschiedensten (Druck-)Verfahren collagiert, lassen auch an die Zirkulation von Formen und Ideen der Moderne denken. "Everything I have is stolen" lautet ein angeeignetes Satzfragment auf I am not entitled (Ich bin nicht berechtigt). Na und. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 25.4.2015)