Graz - "Liebe mich!", schreit sie. "Töte mich!", entgegnet er. Dass die Geschichte zwischen der jungen Salome und dem jungen Eiferer Johannes, der in einer Zisterne im Garten ihres Stiefvaters eingesperrt ist, von wo er Tag und Nacht herausschimpft und ihre Mutter beflegelt, nicht gut ausgehen wird, ist bekannt.

Doch hat die Art, wie der 2001 verstorbene Universalkünstler Einar Schleef die Salome von Oscar Wilde deutete, der "bösen" Frau und dem Täufer und Wegbereiter von Jesus spannende Dimensionen hinzugefügt. Die Version unter Schleefs Regie entstand 1997 in Düsseldorf, als Anna Badora dort Intendantin war. Am Donnerstag schloss sich demnach ein Kreis, denn Salome war die letzte Premiere auf der großen Bühne des Grazer Schauspielhauses in der Intendanz Badoras. Sie geht nach neun Jahren ans Wiener Volkstheater.

Regisseur Michael Simon machte aus dem Text auch ein Reflektierstück: Über Extremismus im Allgemeinen und historische religiöse Fanatiker sowie die Terrorgruppe IS im Speziellen. Wer in der Pause im Saal bleibt, kann den Schauspielern Thomas Frank, Jan Gerrit Brüggemann und Rudi Widerhofer zuhören: Sie diskutieren über Kreuzritter, Jihadisten und andere blutrünstige Religionsinterpreten.

Salome ist auf der von wunderbaren Lichteffekten belebten düsteren Bühne (ebenfalls von Michael Simon), zuerst ein vom Stiefvater angewidertes, misshandeltes, rasterlockiges Kind. Später führt Evi Kehrstephan sie mit viel Feingefühl hinüber in die verletzte, aber selbstbewusste Frau, die den Kopf des Propheten fordert. Kaspar Locher spielt diesen mit Intensität und Ernsthaftigkeit - teilweise via Videoliveschaltung aus seinem Kerker. Er widersteht der Versuchung, den Mann nur unsympathisch oder lächerlich darzustellen. Er bleibt interessant. Am Ende erwartet er den Tod im orangen Overall eines Guantánamo-Häftlings.

Herrlich ist auch das sich hassende Paar Antipas: Ihn spielt Stefan Suske wie ein monströses Riesenbaby mit güldenen Pantoffeln im Rollstuhl; Gattin Herodias wird von der energiegeladenen Steffi Krautz verkörpert. Am Ende bleibt der Geruch blutiger Böden, auf denen jeder Gehversuch eines Friedens rutschend scheitern muss. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 25.4.2015)