Budapest - Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban plant keine Einführung der Todesstrafe in seinem Land. Das habe Orban dem EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz am Donnerstag telefonisch mitgeteilt, sagte der Kanzleichef des Ministerpräsidenten, Janos Lazar, nach Angaben der staatlichen ungarischen Presseagentur MTI.

Orban habe Schulz erklärt, dass die Todesstrafe in Ungarn ein bloßes Diskussionsthema sei. Vergangene Woche hatte Orban im südwestungarischen Pecs gesagt, die in Ungarn 1990 abgeschaffte Todesstrafe müsse "auf der Tagesordnung bleiben". Grund sei, dass sich die bisherige Verschärfung des Strafrechts als ungenügend erwiesen habe.

"Kampf"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte Orban wegen dessen Aussagen über die Todesstrafe die Rute ins Fenster gestellt. Die Charta der Menschenrechte verbiete die Todesstrafe und "Orban sollte unmittelbar klar machen, dass das nicht seine Absicht ist. Wenn es das aber ist, dann würde es einen Kampf geben", sagte Juncker am Donnerstag in Brüssel.

Die EU-Kommission könnte gegen Ungarn ein Grundrechtsverfahren einleiten, wenn das Land tatsächlich die Todesstrafe wieder einführt, wie eine Sprecherin am Donnerstag in Brüssel erklärte. Auf die Frage, ob dies eine Möglichkeit wäre, sagte sie, die Kommission "will nicht über hypothetische Szenarien spekulieren". Sie verwies aber auf den geltenden Rahmen, in dem in der EU über Grundrechtsfragen gesprochen werde. "Wenn es keine Lösung gibt", werde das Grundrechtsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags "immer eine Ultima ratio bleiben".

EVP und Kurz twittern gegen Orban

Unterdessen verschafften österreichische Politiker auf Bundes- wie EU-Ebene ihrer Empörung über Orbans Erwägungen zur Wiedereinführung der Todesstrafe Luft und brachten ihre Haltung zur Todesstrafe klar zum Ausdruck.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) stellte sich auf Twitter gegen Orbans Aussagen. Er stimmte dem Twitter-Eintrag der EVP-Fraktion im Europaparlament zu, in dem es hieß: "Die Todesstrafe ist gegen EVP-Werte und EU-Verträge. Das ist undiskutierbar." Kurz retweetete diesen Eintrag und erklärte seine vollste Zustimmung mit den Worten "Couldn't agree more".

ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel erklärte in einer Aussendung am Donnerstag: "Die klare und eindeutige Ablehnung der Todesstrafe ist für uns als christlich-soziale Österreichische Volkspartei fest verankerter Teil unseres Selbstverständnis." Wenn es um die Wahrung der Menschenrechte gehe, seien alle gefordert, dieses Wertefundament in Europa zu verteidigen, so Blümel, der die Worte vom ÖVP-Europaabgeordneten Othmar Karas wiederholte: "Die Ablehnung der Todesstrafe muss eine zwingende Grundhaltung für jeden Regierungschef eines EU-Mitgliedstaates sein."

Blümel reagierte mit der Aussendung auf Vorwürfe der SPÖ, die von der ÖVP-Spitze eine Distanzierung von Orbans Äußerungen gefordert hatte. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos hatte in einer Aussendung das "Wegducken der ÖVP-Parteispitze zu den skandalösen Aussagen" Orbans kritisiert.

SPÖ fordert Fidesz-Ausschluss aus EVP

Wiederholt wurde am Donnerstag der Ausschluss von Orbans Partei Fidesz aus der Parteiengemeinschaft der EVP von SPÖ-Politikern gefordert - darunter Klubobmann Andreas Schieder und der EU-Abgeordnete und Fraktionsvize Jörg Leichtfried. "Die Forderung nach der Einführung einer Todesstrafe in Ungarn widerspricht ganz klar dem Wertekanon, auf dem die europäische Gemeinschaft aufgebaut ist und hat in der EU nichts verloren", so Schieder in einer Aussendung. Leichtfried erklärte ebenfalls via Aussendung, die EVP müsse erkennen, dass "Orban weder in ihr christlichsoziales noch in das europäische Wertemodell" passe. "Daher muss die EVP unmissverständliche Konsequenzen ziehen und Orban aus ihrer Parteiengemeinschaft ausschließen."

Schon am Mittwoch hatten mehrere EU-Abgeordnete den Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, aufgefordert, Orban und seine Partei hinauszuwerfen.

Entsetzt über Orbans Erwägungen zur Wiedereinführung der Todesstrafe zeigte sich auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Tanja Windbüchler, am Donnerstag. "Der Wunsch, Todesstrafen wieder einzuführen, ist ein verheerendes Signal für Europa, aber auch für eine gemeinsame Außenpolitik", hieß es in einer Aussendung.

Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident hatte am Dienstag mit Verweis auf einen kürzlich erfolgten Mord an einer jungen Trafikantin gesagt, man müsse "die Todesstrafe auf der Tagesordnung behalten". Es habe sich nämlich gezeigt, dass die von seiner Regierung durchgesetzte Verschärfung des Strafrechts für eine Abschreckung ungenügend sei, sagte Orban.

Ungarn hatte die Todesstrafe 1990 abgeschafft und sich auch durch internationale Vereinbarungen verpflichtet, sie nicht wieder einzuführen. Seitdem war die Debatte darüber nach besonders schockierenden Verbrechen jedoch immer wieder neu aufgeflammt. (APA, 30.4.2015)