Wien - Auf dem Theater kommt der Schwimmsport viel zu selten vor. Vor bald zweieinhalb Jahrzehnten hetzte Robert Quitta, der Wiener Regisseur, Lord Byron, den englischen Romantiker, in die Chlorfluten des Wiener Stadthallenbads (Byron schwimmt). Die Versuchsanordnung schien damals stimmig. Byron, der Liebhaber des Griechentums, war das, was man landläufig eine Wasserratte nennt.

Ins Wiener Jörgerbad geht man dieser Tage der britischen Erzählkunst wegen. Regisseurin Jacqueline Kornmüller hat die Erzählung Die Botschaft von Kambodscha der Londoner Autorin Zadie Smith gelesen. In dieser meisterlich knappen Prosa geht eine Schwarzafrikanerin allwöchentlich baden. Fatou stammt aus der Elfenbeinküste. Nach einer kleinen Odyssee ist sie im Londoner Stadtteil Willesden gestrandet. Ihre Arbeitgeber sind moderne Sklavenhalter. Den Lohn behalten diese Leuteschinder ein, ebenso Fatous Reisepass.

Zum Vergnügen - es ist ihr beinah einziges - geht Fatou jeden Montag in das kommunale Wellness-Bad. Dort zieht sie, während sie dem Ploppen von Federbällen im nahen Botschaftsgarten lauscht, unbeirrt ihre Bahnen. "Fatou schwimmt" müsste Kornmüllers Projekt eigentlich heißen, hat sie doch die Lakonie dieses Beinahe-Romans in ein sinnfälliges Geplätscher übersetzt.

Als Protagonist einer Theateraufführung ist das Schwimmbecken mit dem Chlorwasser leider ein Reinfall. Die Hauptlast des Abends trägt der Erzähler (Peter Wolf). Im widerhallenden Bad stellt er eine Art von Kentauren dar. Wurde ein solcher jeweils zur Hälfte aus Mensch und Pferd gebildet, ist dieses Faktotum halb Märchenonkel, halb Badewaschel. Die glucksende Anlage übertönt die eher feineren Nuancen der Erzählung. Zu den bloßen Füßen des Aufsehers aber, von den Blicken der umsitzenden Zuschauer liebevoll gestreichelt, absolviert Fatou (Mimi Grünwald) im schwarzen Bikini stoisch ihre Längen.

Klappstuhl am Beckenrand

Als Fatous Trainer fungiert in der stark einschläfernden Versuchsanordnung ihr platonischer, ebenfalls afrikanischer Freund Andrew (David Jarju). Er sitzt auf einem Klappstühlchen am Beckenrand. Der zarte Wangenkuss zwischen den beiden um ihr Gottesbild ringenden Menschenkindern gehört zu den raren Höhepunkten der Veranstaltung.

Auch Chlorwasser kann zur schönsten Prosa der Welt nichts Sinnfälliges beitragen. Die Migratin Fatou scheitert im Speckgürtel von London. Sie rettet dem Kind ihrer Brötchengeber das Leben und wird zum Dank auf die Straße gesetzt. Fatou, dem köstlichen Nass entstiegen, sitzt auf dem Startblock und "wartet auf den Bus". Immerhin ein schönes Bild. Fatou, so lässt es einen der Theaterverein "wenn es soweit ist" wissen, wird ihren Weg machen. Die Zukunft von Hallenbädern als Theaterspielstätten scheint hingegen fraglich. Ihr Nutzwert ist gering. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 5.5.2015)