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"Solange die Nacht tabu ist, ist alles für die Katz", heißt es von Seiten der Dopingjäger.

Foto: AP/Coffrini

Paris/Köln - Guillaume Antonietti blickte nachdenklich in die Kamera, dann lächelte er. "Das ist wie von einem anderen Planeten, unmenschlich", sagte er und fügte rasch hinzu: "Aber es ist auch beängstigend." Wenig später rannte er wieder im Affenzahn durch Paris und fühlte sich, als könnte er "ewig so weitermachen".

Guillaume Antonietti, ein gut trainierter Amateursportler, war Teilnehmer einer spektakulären Studie aus Frankreich, die die schlimmsten Befürchtungen aller Anti-Doping-Kämpfer bestätigte: Doping in Mikrodosierung ist hochwirksam - und kaum nachweisbar.

Die Folgen der Studie könnten gravierend sein. Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) Deutschlands forderte umgehend Dopingtests in den Nachtstunden. Die in der Studie angewandte Art des Dopings zeige, "dass Kontrollen - in verhältnismäßiger Anzahl - auch zwischen 23 Uhr abends und sechs Uhr morgens durchgeführt werden müssen, damit hier keine Lücke vorhanden ist", hieß es in einer NADA-Stellungnahme.

Keine Spuren im Blut

Acht Ausdauerathleten waren in der vom TV-Sender France 2 in Auftrag gegebenen Studie unter strenger medizinischer Aufsicht einen Monat lang mit Eigenblut, Epo, Wachstumshormonen und Kortikosteroiden gedopt worden. Regelmäßig, aber immer nur in Mini-Mengen wurden ihnen die weithin bekannten Dopingmittel gespritzt. Die Mikrodosierungen hinterließen keinerlei Spuren in den Blutpässen der Probanden.

Die Steigerung der Leistungsfähigkeit war enorm. Einer der acht Athleten, der täglich 24 Kilometer weit lief, drückte seine Bestmarke während der Testphase auf dieser Strecke um zehn Minuten. Die größte Steigerung beim 3000-m-Lauf in der Halle innerhalb der 29 Tage: sagenhafte 31 Sekunden.

"Dieser Leistungszuwachs ist schon überraschend. Diese Mikrodosierung hatte einen enormen Effekt, das war vorher in diesem Maße nicht bekannt", sagte der deutsche Pharmakologe und Dopingexperte Fritz Sörgel und sprach von einer Blaupause für den Alltagsgebrauch im Spitzensport: "Man muss davon ausgehen, dass es so gemacht wird."

"Begründete Fälle"

Doping in Mikrodosen ist nur in einem kurzen Zeitraum von - wenn überhaupt - wenigen Stunden nachweisbar. Fällt dieser Zeitraum in die Nacht, kann der gedopte Athlet sich praktisch sicher sein, nicht erwischt zu werden. Dopingkontrollen zwischen 23 Uhr und sechs Uhr sind derzeit zwar möglich, werden aber praktisch nicht durchgeführt. Der WADA-Code fordert dafür "begründete Fälle".

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hatte für die brisante Testreihe zuvor die Erlaubnis erteilt. Bis das Studienteam alle relevanten Genehmigungen für die Testreihe beisammen hatte, vergingen 18 Monate. Laut France 2 wurden die Athleten während der Studie "zu keiner Zeit positiv getestet". (sid/red, 5.5.2015)