Horst Heiss, Doris Hindinger, Volker König und Christina Scherrer machen sich im Theater Drachengasse Gedanken darüber, wie man eine moderne Herde managt: "Yellow Line" von Charlotte Roos und Juli Zeh. Regie führte Andrea Hügli.

Foto: Andreas Friess

Wien - Die perfidesten Gefängnisse sind die, in denen man sich frei fühlt. Doch der nordafrikanische All-inclusive-Club, in den ihn seine Freundin Helene verschleppt hat, macht Paul da fix nichts vor. Seine Blindheit ist vorbei. Paul weiß: Die künstlich geschlungenen Wege durch die Urlaubsanlage sind noch viel gerader, als es die geradesten Wege jemals sein könnten. Dass hier die rechten Winkel weggelassen wurden, soll nur darüber hinwegtäuschen, dass man sich in einem Gefängnis befindet. Dass ausgerechnet Helene, eine Künstlerin, die sich im Zuge einer Performance zugunsten des arabischen Frühlings versteigern ließ, das nicht kapiert, raubt dem Erleuchteten den letzten Nerv.

Den Diskussionen zwischen dem renitenten Cluburlauber und seiner Künstlerfreundin, die der Empörung längst überdrüssig ist, kann man derzeit im Theater Drachengasse beiwohnen, und zwar in der Sozialsatire Yellow Line (Regie: Andrea Hügli) von Charlotte Roos und Juli Zeh. Das aufgeweckte Vier-Personen-Stück thematisiert das "Herdenmanagement" moderner Gesellschaften ebenso wie dazugehörige individualistische Gegenentwürfe.

Die Sicherheitszone hinter dem Gummiband

Das Stück beackert - ähnlich wie Zehs Corpus Delicti 2013 in der Drachengasse - die Schattenseiten von Gesundheitssystem und Security-Standards. Dabei ist es selten brillant, aber meistens auch weit weg von blöd. Der Titel kommt von jener gelben Linie, die Paul auf der Rückreise den Kragen platzen lässt: Er sieht nicht ein, warum die paar "beliebigen Quadratmeter" hinter dem "Gummiband" Sicherheitszone sein sollen.

Yellow Line ist indes aktueller, als die Programmplaner ahnen konnten: Die Handlung beginnt mit der Festnahme eines nordafrikanischen Fischers, der beschuldigt wird, er habe nach Europa fliehen wollen. Dass eine fliegende Kuh sein Boot zerstört hat, glaubt ihm die Polizei nicht - und ebenso wenig, dass er eigentlich viel lieber nach Hause will.

Bis geklärt ist, welche Art von Dämon das fliegende Rindviech war, vergehen 95 kurzweilige Minuten, in denen sich das tolle Ensemble (Volker König, Christina Scherrer, Horst Heiss, Doris Hindinger) auf einer Bühne mit drei Ebenen - auch akrobatisch - herzhaft verausgabt. In einer losen Szenenabfolge wird nicht nur die entlaufene Kuh Yvonne herbeizitiert, sondern auch im Spa die Verwandtschaft zwischen Muhen und einem meditativen Ohmmm sichtbar. (Roman Gerold, 5.5.2015)