30.000 Quadratmeter stehen ab Dienstag in der Brotfabrik ...

Foto: Anna Blau

... einem bunten Nutzermix zur Verfügung.

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Anstatt im zehnten Wiener Bezirk könnte man sich manchmal fast in London oder New York wähnen.

Foto: Peter Olschinsky

75 Prozent der Flächen sind in der Brotfabrik bereits verwertet.

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Gestern gab's hier Mohnstriezel, Salzstangerl und Bauernbrot. Heute gibt's Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft. Nachdem der Wiener Backwarenhersteller Ankerbrot AG das Fabrikareal in Favoriten 2003 verkauft und sich von einem Großteil seiner Produktionsflächen zurückgezogen hatte, stand die um 1900 errichtete Brotfabrik einige Jahre lang leer. Nun, nach sechs Jahren Entwicklungs- und Sanierungszeit, wird die neue beziehungsweise neu programmierte Brotfabrik kommenden Dienstag, den 12. Mai, feierlich eröffnet.

Knapp 30.000 Quadratmeter stehen den Kreativen, Galeristen, Gewerbetreibenden sowie den zahlreichen Institutionen und Ausbildungsstätten zur Verfügung. 75 Prozent der Flächen sind bereits verwertet. "Wir bieten die Lofts und Shop-Flächen ausschließlich zum Verkauf an", erklärt Walter Asmus, Geschäftsführer der Loft City GmbH & Co KG, die sich in Wien schon einmal, am Gaudenzdorfer Gürtel, der Revitalisierung einer Fabrik verschrieben hatte. "Auf diese Weise finanzieren wir das Projekt zurück."

Skylofts zu haben

Die Gesamtinvestitionskosten schätzt Asmus auf "etwa 26 bis 27 Millionen Euro", zum bisherigen Erlös will sich der ausgebildete Architekt nicht äußern. Nur so viel: "Die Verkaufsflächen variieren sehr stark, je nach Objekt, Lage, Loftgröße, Sanierungsaufwand und Ausstattungsgrad zwischen 950 und 2000 Euro pro Quadratmeter." Übergeben werden alle Objekte im Edelrohbau. Neben den bislang zum Verkauf stehenden Objekten im Altbau sind noch vier Neubau-Skylofts am Dach des neungeschoßigen Objekts 42 im Angebot. Eine weitere Ausbaustufe im alten Getreidespeicher und E-Werk startet im Spätherbst.

Die größte Besonderheit allerdings ist der Nutzungsmix - und damit gekoppelt das für Wien nicht ganz alltägliche Flair. Neben Shops, Ateliers und Galerien gibt es das von der Caritas betriebene Restaurant Magdas Kantine, ein Community-Cooking-Center, die Musikausbildungsstätte Deutsche Pop sowie die Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe. An einem quirligen Vormittag wähnt man sich bisweilen in der Londoner South Bank oder im New Yorker Stadtteil Dumbo, Brooklyn.

Floh- und Designmärkte

"In Wien braucht alles ein bisschen länger, aber mit der Zeit entsteht hier eine Atmosphäre, die an die weltbekannten Künstlerviertel in den Großstädten erinnert", sagt Katrin-Sophie Dworczak, Direktorin der 2013 eröffneten Galerie Hilger Next. "Die Brotfabrik ist ein sehr dynamischer Cluster, ein nicht ganz selbstverständliches Eck in diesem Teil der Stadt, aber wo es geht, versuchen wir die Bewohnerinnen und Bewohner des zehnten Bezirks miteinzubeziehen." Größter Unterschied zum Hilger-Hauptstandort in der Inneren Stadt: "Ähnlich viele Besucher, aber definitiv mehr Touristen."

Auch Judith Reisinger, Leitung Management in der Galerie Ostlicht, meint: "Traditionell wird Favoriten nicht so sehr mit Kunst und Kultur in Verbindung gebracht, aber mit der Brotfabrik und den hier stattfindenden Veranstaltungen scheint sich das allmählich zu ändern." Flohmärkte, Designmärkte wie etwa "Edelstoff" sowie zahlreiche Konzerte und Theateraufführungen stehen auf der Agenda.

Die Akademie Deutsche Pop betreibt schon seit vielen Jahren elf Standorte in Deutschland. Seit Oktober 2011 ist sie nun auch in Wien sesshaft. "Das ist eine Traumlocation", meint Standortleiter Michael Winkler, der die Euphorie seiner Kolleginnen sichtlich nur teilen kann. "Ich habe das Gefühl, wir sind hier nicht nur Nachbarn, sondern wir ziehen alle an einem Strang. Die Kooperationen mit den Firmen und Institutionen, die hier beheimatet sind, funktionieren sehr gut. Wir sind dabei, hier einen neuen Szenetreff aufzubauen."

Gentrifizierung und Belebung

Böse Zungen könnten behaupten, dass die Brotfabrik ein Katalysator für Preissteigerung und Gentrifizierung eines ehemals leistbaren Wiener Arbeiterviertels ist. Das ist sie - auch in Kombi-nation mit dem neuen Hauptbahnhof und dem angrenzenden Sonnwendviertel - ganz ohne Zweifel.

Gute Zungen könnten in der Initiative des Investors Loft City die kulturelle Belebung eines einst weißen Flecks auf der Wiener Landkarte sehen. Es ist anzunehmen, dass ein Projekt wie die Brotfabrik in den kommenden Jahren Strahlkraft haben wird. Oder, wie Walter Asmus das ausdrückt: "Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu." (Wojciech Czaja, Album, 9.5.2015)