Die Universitäten hätten nichts dagegen, effizient zu arbeiten, das täten sie ohnehin. Man solle nur keine Maßnahmen verlangen, die sie ineffizient machen würden, warnt Heinrich Schmidinger.

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STANDARD: Wird an den österreichischen Universitäten Geld verprasst? Oder warum verlangt das Wissenschaftsministerium, dass die Unis drei Prozent ihrer Ausgaben, rund 300 Millionen Euro, "einsparen" müssen und an anderer Stelle im eigenen Haus einsetzen?

Schmidinger: Man stellt das unter den Titel Effizienzsteigerung. Dazu möchte ich festhalten, dass die Universitäten nicht nur effizient sein wollen, sondern dass sie es auch sind. Wir haben dies in der jüngeren Vergangenheit mehr als bewiesen, in einem viel höheren Ausmaß, als es uns jetzt mit den drei Prozent vorgeschrieben wird. Ich erinnere daran, dass wir einen enormen Anstieg bei den Studierendenzahlen hatten und die Mittelzuteilungen, die uns hätten helfen können und sollen, diesen Ansturm aufzufangen, bei weitem nicht mitgewachsen sind. Wir haben dieses Problem trotzdem bewältigt. Anderes Beispiel: Drittmittel. Die österreichischen Universitäten sind im Unterschied zu Unis in anderen Ländern, vor allem jenen, mit denen wir uns vergleichen wollen, bedeutend geringer ausgestattet, und trotzdem haben sich die eingeworbenen Drittmittel oder die Zahl der Projekte, die international begutachtet sind und einen hohen Qualitätsnachweis darstellen, an den meisten Unis vermehrfacht. Diese Effizienzsteigerung kann sich in jeder Hinsicht sehen lassen.

STANDARD: Empfinden Sie vor diesem Hintergrund die nun formulierte Drei-Prozent-Effizienzforderung des Wissenschaftsministeriums unter Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) als Zumutung? Also dass die Politik so tut, als hätten die Unis so viel Spielmaterial?

Schmidinger: Ich empfinde es nicht als Zumutung, aber man überspannt hier den Bogen. Man darf nicht übersehen, dass wir jedes Jahr, und das gilt für die meisten Universitäten, alle Hände voll zu tun haben, ein ausgeglichenes Ergebnis zu erwirtschaften. Das geschieht nur, indem wir laufend Umschichtungen vornehmen, anders ist das überhaupt nicht möglich. Allein schon dafür, dass wir den Status quo erhalten können, müssen wir in großem Ausmaß Umschichtungen vornehmen. Genau darum geht' s: Wir sollen die genannten drei Prozent nicht einsparen im Sinne von zurückhalten, sondern sie innerhalb der Unis zusätzlich umschichten. Dabei überspannt man meiner Einschätzung nach den Bogen.

STANDARD: Können Sie konkretisieren, von wo nach wo die Universitäten derzeit in ihren Budgets uniintern umschichten? Was sind dabei klassische Tauschfelder?

Schmidinger: Natürlich beim Personal. Man besetzt in einem Bereich Stellen nach, dafür in einem anderen nicht, zumindest für eine bestimmte Zeit. Das Personalbudget macht an den Universitäten an die 80 Prozent aus. Nennenswerte Umschichtungen großer Beträge sind fast nur hier möglich. Oder bei Investitionen, besonders bei den Gebäuden. Ja, da kann man natürlich ein Projekt zurückstellen oder einmal sagen, wir ziehen jetzt ein anderes vor. Aber so etwas geschieht laufend, unter anderem dadurch erreichen wir die ausgeglichenen Jahresergebnisse. Anders geht es nicht.

STANDARD: Das Wissenschaftsministerium macht Ihnen ja konkrete Vorschläge: Bei den Personalkosten sollten es die Uni-Mitarbeiter billiger geben, und Sie sollten sich um neue Kollektivverträge kümmern. Verdient man an den Unis zu viel? Dieser Anschein wird durch diese Forderung ja erweckt.

Schmidinger: Ich lade einmal zu einer ganz konkreten Berufungsverhandlung ein. Da würde man rasch feststellen, dass die Angebote, die wir Kolleginnen und Kollegen machen, die wir berufen wollen, von Haus aus nicht exorbitant sind. Sie sind im internationalen Vergleich eher niedrig. Wenn wir jetzt noch weiter reduzieren, werden wir nicht mehr die erstklassigen Wissenschafterinnen und Wissenschafter bekommen, die wir an den Universitäten haben wollen. Ich halte die ministeriellen Vorschläge für unrealistisch. Oder dass wir den Kollektivvertrag neu verhandeln sollen: Abgesehen davon, dass das sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und immense inneruniversitäre Konflikte erzeugt - das wird es einfach nicht spielen. Es lässt sich auch politisch nicht durchsetzen.

STANDARD: Was erwarten Sie jetzt vom Wissenschaftsministerium?

Schmidinger: Ich erwarte mir, dass man noch einmal darüber redet, und zwar im Hinblick darauf, was den Universitäten wirklich zugemutet werden kann und was nicht. Wir sind nicht dagegen, dass man von uns Maßnahmen verlangt, unsere Effizienz zu steigern. Man soll aber bitte anerkennen, dass wir uns ununterbrochen bemühen, diese Effizienz unter Beweis zu stellen. Vor allem soll man nicht Maßnahmen von uns erwarten, die das Gegenteil bewirken und uns am Ende ineffizient machen, weil sie in großem Ausmaß Kräfte binden, die wir anders einsetzen sollten.

STANDARD: Sind eigentlich auch Sanktionen vorgesehen? Was passiert, wenn die Unis nicht drei Prozent anderweitig verwenden?

Schmidinger: Das ist eine der Fragen, die zu unserem Rätselraten gehört. Wir wissen es nicht. Das ist deshalb ein wichtiger Punkt, weil sich die Maßnahmen, die den Universitäten vorgeschlagen werden, wahrscheinlich in diesen drei Jahren 2016 bis 2018 entweder noch gar nicht umsetzen lassen oder sehr verzögert, sehr verspätet. Uns ist nicht klar, was geschieht, wenn wir uns Maßnahmen vornehmen und am Ende dieses Ziel nicht erreichen, weil es nicht realisierbar ist.

STANDARD: Gibt es im Unisystem, so wie es jetzt aufgestellt ist, also nicht diesen "Speck" im System, den Sie umschichten könnten, bzw. heißt das zugleich, dass die Unterfinanzierung des Unisystems absolut ist, dass also diese drei Prozent Effizienz und die finanzielle Ausstattung nicht zusammengehen?

Schmidinger: Ich kann diesen Speck an den Universitäten nicht erkennen, und ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, dass die 615 Millionen Euro, die man uns für die Jahre 2016 bis 2018 zusätzlich geben wird, die Erfüllung unserer Minimalforderung darstellen, um überhaupt den Status quo weiterführen zu können. Da sind die ganzen Kostensteigerungen drin. Schon jetzt reduziert sich de facto diese Summe, sofern zum Beispiel Kosten, die der FWF nicht mehr tragen kann, wie Overhead-Auszahlungen oder Doktoratskollegien, aus diesen Geldern zu tragen sind. Deshalb halte ich es - noch einmal - nicht für realistisch, dass die Universitäten alles, was man in der nächsten Leistungsvereinbarung von ihnen erwartet, hinbekommen werden.

STANDARD: Was werden oder können die Unis dagegen tun?

Schmidinger: Es sind neue Gespräche angesetzt, eines am Montag, und ich hoffe, dass wir auf einen vernünftigen Weg kommen. Eines sei noch angemerkt: Man wundert sich schon, dass von uns auf der einen Seite eine, wie es so schön heißt, Kostendämpfung verlangt wird, und gleichzeitig hat das Ministerium plötzlich Geld für Dinge, bei denen man nur so staunt, wie zum Beispiel für die Abschlüsse über die Ärztegehälter an den Unikliniken. Die werden immerhin einen dreistelligen Millionenbetrag ausmachen. Dieser wird wohl nicht mehr direkt aus den 615 Millionen Euro genommen, sondern aus der sogenannten Ministerreserve - diese ist jedoch per Gesetz ebenfalls für die Universitäten reserviert. (Lisa Nimmervoll, 9.5.2015)