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Photovoltaikpark vor französischer Bergkulisse: Die Energiewende gestaltet auch die Landschaft um.

Foto: Reuters/Foto: Reuters /Jean-Paul Pelissier

Frankfurt/Wien - Der Auslöser für den Umbruch auf den Strommärkten in Europa hat einen Namen: Fukushima. Während Japan vier Jahre nach dem GAU im gleichnamigen AKW, der von einer unglaublichen Pannenserie begleitet worden ist, wieder die Atomenergie forcieren will, beschreiten andere Länder andere Wege.

Namentlich Deutschland, Europas größter Markt für Energie, hat nicht nur den schrittweisen Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen, sondern hat sich auch dem Umbau von Stromerzeugung in großteils öl- und kohlebefeuerten Kraftwerken hin zu überwiegend aus Sonne und Wind gewonnener Energie verschrieben. Energiewende heißt das Schlagwort, das seit Fukushima öffentliche und zunehmend auch private Diskussionsrunden in Europa bestimmt. Statt von Umbau könnte man auch von einer Revolution sprechen.

Verbraucher als Produzenten

Das Revolutionäre daran ist, dass die Verbraucher in Zukunft nicht mehr nur Strom konsumieren, sondern verstärkt auch selbst produzieren werden. Damit sinkt die Abhängigkeit von den großen Energieversorgern. Und die klassischen Stromversorger müssen sehen, wo sie über kurz oder lang bleiben. Die Googles und Telekoms dieser Welt, die in den vergangenen Jahren viel Know-how in Sachen Dienstleistungsqualität aufgebaut haben, sind schon dabei, Nischen zu besetzen.

Tatsächlich ist die Telekombranche der Energiewirtschaft um etwa 20 bis 25 Jahre voraus. Da wie dort gab es vor etwa 150 Jahren die ersten kommerziellen Anwendungen. Auch damals hatte die Telefonie leicht die Nase vorn. Denn ohne elektrische Übertragung von Zeichen wäre das Telefon un denkbar gewesen. Lange Zeit haben sich beide Branchen parallel entwickelt. Erst mit dem Aufkommen des Mobiltelefons Anfang der 1990er-Jahre und dann mit den Smartphones gab es einen Hype. Die Geschäftsmodelle sind inzwischen zahlreich wie Sand am Meer, die Anwendungsmöglichkeiten ebenfalls. Experten sind sich ziemlich sicher, dass Ähnliches auch im Zusammenhang mit Strom passieren wird.

Dienstleistung lernen

"Wenn ein Energieversorger nicht in der Lage ist, zu einem Dienstleister zu werden, wird es eng für ihn. Es warten viele Branchenfremde, von denen einige auch die Technologie beherrschen", sagte Peter Birkner, Technikvorstand von Mainova, einem der zehn größten Energieversorger Deutschlands mit Sitz in Frankfurt, bei einem Lokalaugenschein des STANDARD. Mainova gehört zu mehr als 75 Prozent der Stadt Frankfurt, beschäftigt knapp 3600 Mitarbeiter und setzte zuletzt rund 2,3 Milliarden Euro um.

Mainova hat sich zu einem Trendsetter der Branche entwickelt, der auf verschiedenen Gebieten experimentiert - etwa beim Speichern von überschüssigem Strom. Dabei geht es um Power-to- Heat, wo Strom in Wärme umgewandelt wird, und Power-to-Gas, wo mittels Elektrolyse elektrische Energie in Wasserstoff und in einem weiteren Schritt in Erdgas umgewandelt wird, falls gewünscht.

Speicher sind der limitierende Faktor in der Energiewende. Wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht, müssen kurzfristig Kraftwerke hochgefahren werden. Die Reservehaltung ist generell teuer. Gaskraftwerke, die schnell hochgefahren werden können, sind wegen der Verwerfungen auf den Energiemärkten derzeit kaum wirtschaftlich zu betreiben. Strom ist auf den Großhandelsmärkten nämlich billiger als das Gas, das für die Stromproduktion zugekauft werden muss.

Während in der politischen Debatte noch immer der Aus- und Neubau von Übertragungsleitungen als Missing Link für eine erfolgreiche Energiewende herausgestrichen wird, sieht das Mainova-Vorstand Birkner weniger eng. Klar, um ein gewisses Maß an Zubau werde man nicht umhinkommen, meint er. Zuvor sollte man aber das Maximum aus den bestehenden Leitungen herausholen. Wenn es gelänge, nur fünf Prozent des Energieverbrauchs von der Morgenspitze zu verschieben, könne man die Netzkapazität verdoppeln. Das gehe mit Smart Grids, intelligenten Netzen. Wenn es zudem gelänge, die privaten Haushalte mit Solarmodulen auf m Dach zu überzeugen, überschüssigen Strom in eigenen Batterien zu speichern, würde sich dies ebenfalls positiv und kostendämpfend auf die Infrastruktur auswirken.

Ohne eine gesetzliche Neuregelung werde es aber nicht gehen. "Derzeit gibt es keine Anreize, in Smart Grids zu investieren", sagt Leonhard Schitter, Vorstand der Salzburg AG und bei Österreichs Energie für Forschung und Innovation zuständig. Bei den Tarifen werde kein Unterschied gemacht zwischen Investitionen in konventionelle oder intelligente Netze. Kontraproduktiv ist das Tarifsystem derzeit auch in Deutschland. Der Netzbetreiber bekommt dort umso mehr Geld, je höher die Lastspitze ist. Dadurch ist niemand versucht, daran was zu ändern. Dies wird aber eher früher als später notwendig sein, sollen die zum Teil anspruchsvollen Zielvorgaben für erneuerbare Energien in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erreicht werden. (Günther Strobl, 15.5.2015)