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Apples neuer Streaming-Service basiert auf Beats, das auch mit Kopfhörern präsent ist. Mehr als drei Milliarden Dollar zahlte Apple für das Start-up – und zeigt damit, wie wichtig ihm Streaming ist.

Foto: REUTERS/Eduardo Munoz

Drei Milliarden Euro: So viel blätterte Apple vergangenes Jahr für das Start-up Beats hin. Viel Geld für ein Unternehmen, das laut Produkttestern überteuerte Kopfhörer verkaufte und einen mäßig erfolgreichen Streaming-Dienst betrieb. Doch Apple sah in dem von Hip-Hop-Legende Dr. Dre gegründeten Beats ein Mittel, um wieder auf dem hart umkämpften digitalen Musikmarkt Fuß zu fassen. Denn Apple hatte die Entwicklungen rund um das Streaming von Musik durch das Internet komplett verschlafen.

Streaming-Dienste gewinnen dazu

Die Expertise von Dr. Dre und anderen Beats-Managern schien da viel wert zu sein, selbst wenn Konkurrenten wie Spotify und Deezer weitaus höhere Nutzerzahlen erreicht hatten. Die Streaming-Dienste gewinnen seit Jahren konstant an Marktanteilen: Mittlerweile zählt Spotify über 60 Millionen Nutzer – und wächst noch weiter. Warner Music gab vergangene Woche bekannt, erstmals mehr Geld durch Streaming als mit Downloads umgesetzt zu haben. Auch in Österreich stieg der Umsatz durch Streaming im Jahr 2014 um 33 Prozent, er liegt nun bei 8,9 Millionen Euro. Downloads brachten mit 20,6 Millionen zwar noch weit mehr ein, verloren jedoch im Vergleich zum Jahr davor.

Spotify, Deezer, Pandora, Youtube Music: Apple fehlt in der Riege der Streaming-Dienste, obwohl der Konzern als Pionier im digitalen Musikgeschäft gilt. Mit dem iPod und dem Download-Markt iTunes etablierte Apple weit vor der Konkurrenz einen funktionierenden Weg, Musik online zu verkaufen. Noch heute ist iTunes der weltweit meistgenutzte Marktplatz für Downloads.

Neuer Service ab Juni

Im Juni will Apple Gerüchten zufolge dann mit einem eigenen Streaming-Dienst auftrumpfen, der bei der Entwicklerkonferenz WWDC enthüllt werden soll. Doch die Marktmacht von iTunes sorgt bereits vorab für Probleme: Regulierungsbehörden in den USA und Europa befürchten, dass Apple seine Dominanz im Download-Markt nutzt, um Rechteinhaber zu besseren Deals für Streaming zu drängen. Die Vorwürfe reichen weit: "The Verge" berichtete, dass Apple Labels mit Nachdruck auffordert, Musik aus Spotify und Youtube zu entfernen. Deren werbefinanzierte Gratisangebote sind dem IT-Konzern ein Dorn im Auge. Denn Apple vermutet, dass sich allein mit Werbung kein Streaming-Service finanzieren lässt.

Spotifys Geschäftszahlen könnten dem recht geben: 75 Prozent der Spotify-Nutzer zahlen nicht für ihr Abo, das Unternehmen schrieb 2014 fast 200 Millionen Dollar Verlust. Allerdings haben die Spotify-Manager Expansion als oberste Devise ausgegeben. Das Risiko roter Zahlen können sie eingehen, da Investoren für den Streaming-Dienst Schlange stehen. Die Popularität des Dienstes darf – rein logisch – nicht überraschen: Nutzer hören nach wenigen Songs Werbeunterbrechungen und können im Gegenzug auf zigtausende Musiktitel zugreifen. Selbst ein Premium-Abo von 9,99 Euro ist um einiges günstiger als die CD-Version eines aktuellen Albums. Das spürt auch Apples Onlinemarkt, selbst wenn digitale Alben noch um einiges günstiger als ihr physisches Pendant sind.

Künstler begehren auf

Immer mehr Künstler fragen allerdings, ob dieser Vertriebsweg genug Profit abwirft. Mit Tidal hat Jay-Z, ebenfalls eine Hip-Hop-Legende, nun einen neuen Streaming-Dienst vorgestellt, der für "faire Entlohnung" sorgen soll und mit exklusiven Inhalten punkten will. Doch bei Kunden stößt der Service auf wenig Gegenliebe: Die App ist nicht einmal unter den 500 beliebtesten Anwendungen zu finden. Marktbeobachter sprechen bereits von einem veritablen Flop.

Auch Googles in der Videoplattform Youtube integriertes "Youtube Music Key" will noch nicht so recht abheben. Mit diesem ebenfalls rund zehn Euro teuren Abo-Dienst können Nutzer werbefrei Musikvideos auf Youtube abrufen und Lieder offline verfügbar machen. Für Google ein logischer Schritt: Musikvideos gehören zu den meistabgerufenen Inhalten auf der Plattform und dominieren regelmäßig die Jahrescharts der Youtube-Hits. Gleichzeitig setzen Rechteinhaber den Konzern unter Druck: "Die Gratisverfügbarkeit von Musik auf Youtube ist nach wie vor ein Problem für den digitalen Markt", sagt Hannes Eder, Präsident des Branchenverbands IFPI und Manager bei Universal Music Österreich. Dass Musikvideos populär sind, weiß auch Spotify: Um sein Portfolio zu erweitern, will der Streaming-Dienst künftig auch Videoclips anbieten.

Alle gegen Piraterie

Über all den Bemühungen von IT-Konzernen und Musikbranche schwebt aber nach wie vor das Damoklesschwert der Piraterie. Download-Angebote und Streaming-Services hätten den Download aus illegitimen Quellen signifikant eingeschränkt, heißt es einstimmig. Allerdings befürchten Beobachter, dass die neuen Angebote paradoxerweise zu einem erneuten Anstieg an Piraterie führen könnten. Das liegt daran, dass Musikdienste zusehends mit Exklusivinhalten experimentieren. Wenn ein neuer Beyoncé- oder Rihanna-Song nur auf Apples Streaming-Dienst verfügbar ist, stehen die Chancen hoch, dass sich Spotify-Nutzer das Lied auf anderem Weg besorgen. Ist Apple zusätzlich darin erfolgreich, Gratisdiensten den Garaus zu machen, würden sich einige Nutzer wohl kostenfreien, aber illegalen Diensten zuwenden. Denn Studien zeigen, dass manche Nutzer nicht gewillt sind, für Kultur Geld auszugeben. Diese Gruppe kann die Branche immerhin durch Werbung monetarisieren.

Ähnliche Entwicklungen sind auch im Videostreaming-Markt zu erwarten. Als große Unbekannte gilt hier ebenfalls Apple. Die Situation erinnert frappierend an den Musikmarkt: Mit Apple TV stellte der Konzern bereits früh eine Set-Top-Box vor, mit der Nutzer ihren Fernseher online bringen und Filme via iTunes erwerben konnten. Doch innovative Lösungen entwickelten andere, allen voran Netflix. Auch hier will Apple zurückschlagen - denn offenbar hat man beim IT-Konzern erkannt, dass neben Hardware auch Services große Summen bringen können. (Fabian Schmid, 20.5.2015)