Wien – Österreich kann hochqualifizierte Akademiker aus dem Ausland, die hier studiert haben, nicht im Land halten. Wie Zahlen der Statistik Austria und eine Auswertung der Universitätenkonferenz (Uniko) zeigen, verlässt die Hälfte der Studenten, die in Österreich ein Doktorat abgeschlossen haben, innerhalb von drei Jahren das Land. Heinz Faßmann, Integrationsforscher und Vizerektor der Universitäten Wien, fordert deshalb einmal mehr die Reform der Rot-Weiß-Rot Card.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte soll besonders qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich holen. Absolventen eines Doktoratsstudium bekommen aber nur dann die Rot-Weiß-Rot Card, wenn sie hier auch ein Masterstudium absolviert haben. Auch Studenten mit einem abgeschlossenen Bachelorstudium können die Karte nicht beantragen. Laut einem "Internationalisierungspanorama", das Faßmann für die Uniko erstellt hat, verwehrt Österreich damit der Hälfte aller Drittstaatenangehörigen die Möglichkeit einer Rot-Weiß-Rot Card.

Um im Konkurrenzkampf um besonders gute Wissenschafter mithalten zu können, fordert Faßmann deshalb eine Öffnung der Karte für alle Bachelor- und Doktoratsabsolventen. "250 Doktors- und 570 Bachelorabsolventen in das Programm aufzunehmen, würde sicher nicht zu einer Verwerfung des österreichischen Arbeitsmarktes führen", sagte Faßmann bei der Präsentation der Studie am Montag. Derzeit bekommen Doktorratsabsolventen nur dann eine Rot-Weiß-Rot Card, wenn sie hier auch ein Masterstudium absolviert haben.

"Willkommenskultur noch nicht so weit"

"Wir müssen für Attraktivität sorgen, wir haben Konkurrenz." Die Doktoratsabsolventen würden das Land verlassen, weil sie woanders bessere Bedingungen für Forschung vorfinden würden oder "weil es mit der Willlkommenskultur, die politisch postuliert wird, vielleicht doch noch nicht ganz so weit ist".

Dennoch: Die Integration innerhalb Europas und der liberale Hochschulzugang führen dazu, dass Österreich beim Ausländeranteil an den Universitäten "Weltspitze" ist, wie Faßmann sagt. "Natürlich liegt das auch an der Attraktivität der Universitäten." Insgesamt sind 26 Prozent der Studierenden an Österreichs Unis Ausländer. 35 Prozent der neu zugelassenen Studierenden im Wintersemester 2013/14 waren keine Österreicher.

"Ideale Zuwanderer"

"Die Universitäten haben sich als Magneten der Neuzuwanderung etabliert", sagt Faßmann. "Jede achte Zuwanderung ist eine studentische Neuzuwanderung." Ausländische Studierende und Graduierte seien ideale Zuwanderer. "Sie sind hochqualifiziert, beherrschen in der Regel die Sprache des Aufnahmelandes und sie haben das soziale Kapital kumuliert, um sich in Österreich zurechtzufinden."

Die meisten ausländischen Studierenden haben die Universität Wien, die Universität Innsbruck sowie die Technische Universität Wien. Die höchsten Ausländeranteile haben die Kunst- und Musikuniversitäten. Am Mozarteum Salzburg liegt er bei fast 60 Prozent.

Die Studie hat zudem ergeben, dass wesentlich mehr ausländische Studierende in Österreich bleiben als zunächst angenommen. Eine Auswertung der OECD, wonach nur 17 Prozent nach ihrem Studienabschluss nicht auswandern, sei definitiv falsch. Eine Analyse Faßmanns anhand des Sozialversicherungsstatus hat ergeben, dass mindestens 40 Prozent der Absolventen aus EU-Ländern oder Drittstaaten nach ihrem Studium in Österreich erwerbstätig sind. Weitere 20 Prozent bleiben im Land, arbeiten aber nicht. In der Studie wird angenommen, dass sie entweder weiterstudieren oder eine Familie gründen und sich der Kinderbetreuung widmen.

Zahlen der Statistik Austria zeigen, dass 70 Prozent aller Absolventen aus Nicht-EU-Staaten, 75 Prozent aller Studenten aus Deutschland und 80 Prozent der anderen EU-Staaten in Österreich bleiben. (Lisa Kogelnik, 18.5.2015)