Läuft für ein neues Leben in Österreich: Lemawork Ketema.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Ganz wohl ist Lemawork Ketema in den Wäldern im Wiener Umland nicht, wenn er sein Laufpensum allein abspult. Auch wenn es dort keine Schakale gibt wie im äthiopischen Dschungel. Und auch keine hochgiftigen Schlangen. "Das Leben ist manchmal hart, aber es macht dich stärker", sagt Ketema. Der 29-jährige Äthiopier will Marathon laufen. "Für meine neue Heimat Österreich." Und am besten schon 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio. Einen langen Weg hat er bereits hinter sich. Als politischer Flüchtling fürchtete er vor noch nicht allzu langer Zeit um sein Leben.

Zum Grenzeinsatz vergattert

In Äthiopien trainierte Ketema unter einem strengen Militärregime. Wer keine guten Ergebnisse erzielte, wurde zum Grenzdienst vergattert. Und kam vereinzelt auch im Sarg zurück. "Zwei meiner ehemaligen Trainingspartner sind tot", sagt Ketema. Die Regierung wollte mit seinem Gesicht für Wahlen werben, er sich nicht politisch instrumentalisieren lassen. Und wurde eingesperrt. Ketemas Blick schweift im Gespräch ab, Politik ist nicht sein Thema. Seine Familie in Äthiopien, er hat sieben Geschwister, muss bei Kritik Repressalien fürchten.

Heuer bekam Ketema einen positiven Asylbescheid, wohnt mittlerweile in einer 25-Quadratmeter-Wohnung im dritten Bezirk. Davor lebte er in einem Viermannzimmer im Asylheim im niederösterreichischen Greifenstein, was der Erholung für einen täglich trainierenden Leistungssportler nicht unbedingt zuträglich war.

Vokabelübungen und Training

Lema heißt auf Amharisch, der Amtssprache Äthiopiens, grün, aber auch schön. Und die Arbeit (work), die zieht Ketema ohnehin täglich ohne Jammern durch. Um sechs Uhr Früh steht er auf, singt und macht seine Vokabelübungen, zweimal am Tag wird trainiert, dazwischen der Deutschkurs besucht.

Ketema lief als Kind täglich acht Kilometer zur Schule und wieder zurück, mit 18 wurde er Profi. "Dort wird in Gruppen gelaufen, in denen man sich gegenseitig pusht. Hier muss Lema allein trainieren, für harte Einheiten braucht er daher viel Überwindung", sagt sein Mentor Harald Fritz, von Beruf Gesundheitsmanager. Der Wiener unterstützt Ketema finanziell und organisatorisch, bisher eine reine Privatinitiative. Für eine Einbürgerung aus Staatsinteresse – ohne die Ketema für Österreich nicht starten kann – muss dieser in seiner Disziplin besser sein als jeder Österreicher. Hannes Gruber vom österreichischen Leichtathletik-Verband: "Das Limit für Rio von 2:14:00 Stunden sollte er packen."

Kein Mindestsicherungsantrag

Entscheidet der Ministerrat noch diesen Sommer positiv, könnte Ketema schon bald um dringend benötigte Förderungen aus den Töpfen des Projektes Rio und Team Rot-Weiß-Rot ansuchen, auf die er als Flüchtling keinen Anspruch hat. Die jüngsten Erfolge, wie den neuerliche Sieg beim Wings for Life run, kann sich kein Sportpolitiker auf seine Fahnen heften. Die Mindestsicherung hätte Ketema problemlos beantragen können, "er sucht aber keine Arbeit, ist Spitzensportler, will das System nicht ausnützen". Ketema: "Ich will mein Wissen weitergeben, auch für Kinder als Trainer arbeiten." (Florian Vetter, 18.5.2015)