Die frühesten Vertreter der Schlangen traten in der Unterkreidezeit auf. Vermutlich besaßen sie ein winziges Paar Hinterbeine und stellten im nächtlichen Wald verhältnismäßig großen Beutetieren hinterher.

Illu.: Julius T. Csotonyi

New Haven - Mehr als 3.400 Schlangenarten kennt man heute. Wie sich die schlängelnden Reptilien entwickelt haben, ist allerdings bisher kaum geklärt. So herrscht vor allem über die Frage, aus welchem Habitat Schlangen ursprünglich stammen, eine langandauernde wissenschaftliche Debatte. Eine weit verbreitete These lautet, dass Schlangen im Wasser entstanden sind. Nun aber haben US-Wissenschafter den Stammbaum der Schuppentiere neu erstellt und dabei festgestellt, dass sie sich vermutlich doch an Land entwickelt haben. Der Urahn heutiger Schlangen war demnach ein nächtlicher Jäger in Waldgebieten, der relativ große Beute verschlang und winzige Hinterbeine hatte.

Für ihre Untersuchung analysierten die Wissenschafter von der Yale-Universität in New Haven die Gene, die Anatomie oder Fossilien von 73 lebenden und ausgestorbenen Schlangen- und Echsenarten. Aus den erhobenen Daten erarbeiteten sie dann einen Stammbaum. Das Team um Allison Hsiang veröffentlichte die Studie im Online-Journal "BMC Evolutionary Biology".

"Lange wurde über die Ursprünge der Schlange diskutiert - mit unserer Untersuchung wurden die Hypothesen zum ersten Mal mit modernsten Methoden sorgfältig überprüft", betonte Hsiang. Aufgrund ihrer Analysen glauben die Wissenschafter, dass Schlangen an Land entstanden und das vor etwa 128,5 Millionen Jahren in der Unterkreidezeit. Die Ur-Schlange habe in den warmen Waldgebieten von Laurasia gelebt, einer der beiden Landmassen, in die der Superkontinent Pangaea im Mesozoikum zerbrach. Damit widerspricht diese Studie einer Untersuchung der kanadischen Universität von Alberta von Anfang 2015. Diese hatte von Schlangen-Fossilien mit einem Alter von fast 170 Millionen Jahren berichtet.

Nächtliche Jäger

Die Forscher der Yale-Universität gehen nicht nur davon aus, dass Schlangen erst später entstanden. Sie vermuten auf Grundlage des entwickelten Stammbaums auch, dass die Ur-Schlange über ein Paar winzige Hinterbeine mit Knöcheln und Zehen verfügte. Sie sei in der Lage gewesen, relativ große Wirbeltiere und wirbellose Beute zu verschlingen - obwohl sie noch nicht die Fähigkeit hatte, ihr Beutetier zu erdrücken und dessen Körper so zu manipulieren, wie es etwa eine heutige Boa kann.

Die Wissenschafter sind sich zudem sicher, dass die Ur-Schlange im Gegensatz zu vielen Reptilien ihrer Zeit ein nächtlicher Jäger war. Tagaktiv seien Schlangen erst mit dem Auftauchen der Colubroidea vor 50 bis 45 Millionen Jahren geworden. Diese Familie der Nattern- und Vipernartigen umfasst etwa 85 Prozent aller heute lebenden Schlangenarten. (APA/red, 25.5.2015)