In Ungarn hetzt Regierungschef Viktor Orbán die Bevölkerung gegen Flüchtlinge auf, die es eigentlich nicht gibt. Syrer, Kurden oder Afrikaner, die auf Schleichwegen Ungarn durchqueren oder von Grenzern aufgegriffen werden, wollen weiter in den Westen Europas. Doch das Schüren von Angst gehört eben zum Rüstzeug der Populisten und zur Grundausstattung für billigen Stimmenfang.

In Straßburg, auf europäischem Parkett, hören sich dieselben Töne schrill und falsch an. Das EU-Europa mit all seinen Widersprüchen ist gewiss keine ideale Völkerfamilie oder perfekte Staatengemeinschaft, doch in bestimmten Kernfragen herrscht Klarheit. Die Todesstrafe ist inhuman und mit dem europäischen Geist nicht vereinbar.

Wie ein trotziges Schulkind beteuerte Orbán bei der Debatte, dass er über die Todesstrafe nur reden möchte. Wolle ihm Brüssel - dieses neue Moskau - Rede- und Denkverbote auferlegen? Nein, Herr Orbán, das will es nicht. Es setzt sich nur gegen jemanden aus seinen Reihen zur Wehr, der mit populistischen Diskursen menschenfeindliche Haltungen schürt und sein Wahlvolk radikalisiert.

Orbán ist ein Outcast, zunehmend auch in der eigenen Parteienfamilie, der EVP. Jetzt will er sich mit dem Briten David Cameron zusammentun, um gegen die EU-Migrationspolitik querzuschießen. Cameron hat seine Konservativen 2009 aus der EVP geführt. Orbán sollte dem Beispiel folgen - oder die EVP sollte ihm die rote Karte zeigen. (Gregor Mayer, 20.5.2015)