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Ehe es zu einem Asylverfahren kommt, tut das Gesetz alles, um zu verhindern, dass Flüchtlinge überhaupt nach Österreich gelangen.

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Fremdenrecht folgt einer simplen Logik: Legale Zuwanderung gibt es de facto nicht, und am Ende eines Verfahrens wartet entweder ein Aufenthaltstitel oder die Außerlandesbringung. Letztere kann mit Zwangsgewalt und Haft umgesetzt werden. Es geht um das staatliche Interesse an einem "geordneten Fremdenwesen", das in der Behörden- und Gerichtspraxis im Zuge des jeder Entscheidung zur Außerlandesbringung zugrunde liegenden Abwägungsvorgangs den "privaten" Interessen am Verbleib eines Menschen in Österreich gegenübergestellt wird.

Wobei ... geordnet ist eigentlich nichts. Einwanderung nach und Schutzsuche in Österreich erfolgen völlig ungeordnet. Der Staat regelt und ordnet nicht, er verbietet und wehrt ab.

Hürden der legalen Zuwanderung

Von den mehreren tausend Menschen, die jährlich neu nach Österreich gelangen, nutzt nur ein Bruchteil die elitären und spärlichen legalen Zuwanderungsmöglichkeiten; zu hoch sind die Hürden, insbesondere die Anforderungen an Einkommen und Vermögen. Und zu groß ist das staatliche Misstrauen gegenüber Zuwanderungswilligen. Selbst Familienzusammenführung wird gesetzlich und behördlich torpediert, wo es nur geht.

Die dahinterstehende Intention bleibt schleierhaft. Es macht den Eindruck, die Verhinderung von Zuwanderung sei im Fremdenrecht zum Selbstzweck verkommen. Und so werden elendslange Verfahren geführt, in denen Behörden und Gerichte etwa zu entscheiden haben, ob das Trinkgeld (in nicht unbeträchtlicher Höhe) dem Einkommen eines Kellners mit österreichischer Staatsangehörigkeit hinzuzurechnen ist und er damit ausreichend verdient, um seine perfekt Deutsch sprechende Ehegattin und die gemeinsame Tochter aus dem Kosovo einreisen zu lassen.

Widersprüche im Asylrecht

Noch eigentümlicher geht es im Asylrecht zu. Dieses lebt geradezu davon, offenkundige Widersprüche schlichtweg zu ignorieren. Der Staat erkennt das Asylrecht an; wenn ein Flüchtling in Österreich einen Asylantrag stellt, wird ein Verfahren durchgeführt; und dann wird mitunter auch am Ende Schutz gewährt. Nur, ehe es dazu kommt, tut das Gesetz alles, um zu verhindern, dass Flüchtlinge überhaupt nach Österreich gelangen. Legale Einwanderung für Flüchtlinge gibt es nicht, sieht man von den kosmetischen Aktionen ab, im Zuge derer etwa ein paar hundert Personen aus Syrien aufgenommen werden.

Abwehren was geht

Syrien ist ein gutes Beispiel: So gut wie jeder syrische Flüchtling erhält in Österreich einen Aufenthaltsstatus, so er/sie es schafft, die Staatsgrenze zu überwinden. Aber bis dahin wird abgewehrt, was geht. Denn legale Einwanderung gibt es auch für Flüchtlinge nicht. Heißt: Wer aus legitimen und asylrelevanten Gründen Syrien verlässt, um Schutz vor Verfolgung zu finden, hat das Recht, in Österreich um diesen Schutz anzusuchen und diesen auch gewährt zu erhalten. Aber um nach Österreich zu gelangen, muss man sich der Hilfe von "Schleppern" bedienen, um die dichtgemachten Grenzen zu überwinden. Dass Menschen dazu unfassbare Gefahren eingehen und nicht wenige dabei (im Mittelmeer) ihr Leben lassen, wird von der europäischen Fremdenrechtslogik in Kauf genommen.

Perspektivlosigkeit

Am meisten Unordnung stiftet das Fremdenwesen, wenn es mit seinen härtesten Mitteln aufwartet. Eine Abschiebung ist einer der staatlichen Zwangsakte, die man sich am liebsten wegdenken würde. Tony zum Beispiel hat alles an Vermögen gegeben und mehrfach sein Leben riskiert, um Grenzen zwischen Afghanistan und Österreich zu überwinden. Für eine Asylgewährung reichte seine Fluchtgeschichte nicht aus. Zu wenig individualisiert waren den Behörden die Gründe für seine Flucht. Die allgemeine Unsicherheit in Afghanistan und das Fehlen jeglicher Perspektive würden nicht nur Tony, sondern alle jungen Menschen in Afghanistan treffen.

Arbeiten durfte Tony als Asylwerber in Österreich nicht. Sieben der "besten" Jahre seines Lebens hat er in Österreich in der Warteschleife verbracht. Die Behörden haben Ewigkeiten dafür gebraucht, über seine Anträge zu entscheiden. Nun soll er dorthin zurück, von wo er aus Mangel an Sicherheit, Möglichkeiten und Perspektiven gekommen ist. Die Außerlandesbringung bedeutet für den Staat und alle anderen in das Prozedere Involvierten bloß die Umsetzung einer Entscheidung. Für Tony hingegen bedeutet sie das Verwerfen eines Lebensentwurfs, das Zunichtemachen von Chancen und nicht zuletzt Versagen auf ganzer Linie. Er kommt als der zurück, als der er gegangen ist, bloß älter und mit noch weniger materiellem Besitz. Wen kann es verwundern, dass das Auftauchen von Polizeikräften, Festnahmen und damit die Gewissheit der bevorstehenden Abschiebung immer wieder zu Verzweiflungshandlungen führen.

Perspektivenwechsel tut Not

Bei Hungerstreik und Selbstverletzungen sprechen viele davon, der Staat könne sich nicht erpressen lassen. Ein einfacher Perspektivenwechsel täte Not: Was muss sich in einem Menschen abspielen, dass es zu solchen Handlungen kommt? Ordnung bedeutet im Fremdenwesen die konsequente Außerlandesbringung von zugewanderten Menschen. Doch Ordnung schafft diese Praxis keine, sie stiftet vielmehr eine große Unordnung in so vielen Lebensrealitäten. Was wird durch jede Abschiebung an Potenzial von Menschen zerstört, was wird an Verbindungen gekappt? Steht das wirklich dafür? (Ronald Frühwirth, 21.5.2015)