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Der Spanier Jonatan Soriano ist zum dritten Mal Meister mit Red Bull Salzburg. Der 2005 gegründete Klub ist zum sechsten Mal Erster.

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STANDARD: Was ist das Spezielle an diesem Titel? Was unterscheidet ihn vom vorangegangenen?

Soriano: Es ist anders, es gab Schwierigkeiten, einige Spieler haben während der Saison den Klub verlassen. Für mich aber ist jeder Titel speziell, jeder hat Geschichten. Wirst du Meister, dann bist du der Beste eines Landes, das macht stolz. 36 Runden lügen nicht, sie drücken die Wirklichkeit aus. Ordnungshalber möchte ich erwähnen, dass Salzburg nicht Meister wäre, sollte Rapid dreimal 10:0 gewinnen und wir zweimal 0:1 verlieren. Aber das passiert selbstverständlich nicht.

STANDARD: Roger Schmidt hat Sie vor der Saison 2013/14 zum Kapitän gemacht. Er bezeichnete Sie als Herz und Hirn, als Lenker, als einen, der in kritischen Situationen vorangeht. Woher kommt dieses Verantwortungsbewusstsein?

Soriano: Ich fühlte mich im Lauf der Zeit immer wichtiger in der Mannschaft, das ist gewachsen. Schmidt dürfte das bemerkt haben. Ich habe das Amt nicht angestrebt, es wurde mir übertragen.

STANDARD: Vor der Saison gab es den Trainerwechsel, von Schmidt zu Adi Hütter. Verlief der Übergang reibungslos?

Soriano: Es gab nur kleine Änderungen, die Arbeitsweise ist ähnlich, wobei die beiden natürlich unterschiedliche Charaktere sind. Aber die Art des Fußballs und die Philosophie sind gleich geblieben, darauf kommt es an. Insofern war der Übergang fließend.

STANDARD: In Erinnerung bleibt eine Geschichte vom April 2013. Ihre dritte Tochter kam zur Welt, Sie waren bei der Geburt im Krankenhaus dabei. Und rasten dann ins Stadion, das Spiel gegen Wolfsberg lief bereits. Schmidt hat Sie eingewechselt, Sie erzielten drei Tore, Salzburg gewann 6:2. Sind Sie ein Fußballverrückter?

Soriano: Vielleicht. Das war ein außergewöhnlicher Tag. Es war toll, an der Geburt teilhaben zu können. Ich war bei meiner Frau im Zimmer, sie hat gemeint, es passt alles. Sie hat mir praktisch befohlen, ins Stadion zu fahren, meinem Beruf nachzugehen. Die drei Tore hat sie mir nicht angeschafft, die sind passiert. Ich war gut aufgelegt.

STANDARD: Normalerweise sind Stürmer Egoisten. Sie gelten als absoluter Teamplayer. Unterscheidet Sie das von anderen Torjägern?

Soriano: Ich versuche, an der richtigen Stelle zu sein, nicht nur im gegnerischen Strafraum. Bin ich kein Egoist, sind meine Mannschaftskollegen auch keine Selbstdarsteller. Würde ich nur auf mich schauen, wäre Salzburg kein intaktes Fußballteam.

STANDARD: 90 Treffer in 102 Ligaspielen - auf so eine Quote kommen maximal Messi oder Ronaldo. Ist das Toreschießen in der österreichischen Liga zu einfach?

Soriano: Leicht ist es nirgendwo, außerdem habe ich ja auch in der Europa League sehr oft getroffen, meine Qualitäten gezeigt. Natürlich ist das Niveau in Österreich niedriger als in Spanien. Abgesehen davon sind Zahlen nur Statistiken. Sie sind nett, aber ich lebe nicht nach Statistiken, das würde nur Druck erzeugen. Ich rechne nicht, ich spiele einfach Fußball.

STANDARD: Es war einiges in Bewegung. Mane, Alan, Kampl sind im Winter gegangen, Ramalho und Ilsanker verlassen den Klub nach der Saison. Warum bleiben Sie, reizen Sie nicht Topligen?

Soriano: Ich fühle mich hier wohl. Ich habe zwar immer wieder Angebote bekommen, aus Spanien, aus England. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass es woanders besser wäre. Auch meiner Familie gefällt es in Salzburg, ich muss an sie denken. Ein Ortswechsel wäre eine enorme Umstellung. Das muss nicht um jeden Preis sein.

STANDARD: Sind Sie lieber der Star in Österreich als einer von vielen in Spanien, Deutschland, Italien oder England?

Soriano: Nein, ich will nur glücklich sein. Und ich möchte, dass meine Familie zufrieden ist, wenn sie mir beim Fußballspielen zuschaut.

STANDARD: Kann man sich wirklich daran gewöhnen, nach Wiener Neustadt, Grödig oder Wolfsberg zu fahren? Verspüren Sie nicht eine Sehnsucht nach der großen Welt, nach vollen Stadien?

Soriano: Man gewöhnt sich dran. Natürlich ist es schöner, vor 30.000 Leuten zu spielen, aber solche Stadien gibt es hier nicht. Ich akzeptiere, wie es ist. Ich würde lieber jede Woche gegen Rapid, Austria oder Sturm spielen, aber eine Viererliga wäre eigenartig. Zehn Klubs sind schon das Minimum.

STANDARD: Das Ziel Champions League wurde bisher immer verfehlt. Glauben Sie noch daran?

Soriano: Ja, es ist möglich, auch deshalb mache ich hier weiter.

STANDARD: Aber ist nicht die Unterforderung im Alltag der Grund, warum man letztendlich scheitert?

Soriano: Es wäre sicher besser, mehr gefordert zu werden. Trotzdem ist es machbar.

STANDARD: Als Sie im Jänner 2012 aus Barcelona nach Österreich kamen, war Ihnen in erster Linie kalt. Frieren Sie noch immer?

Soriano: In Barcelona ist nach wie vor mehr Sonne, aber man akzeptiert die Kälte, passt sich an den österreichischen Winter an. Obwohl es schwierig ist. Aber ich bin nicht mehr überrascht, wenn es schneit. Ich erwarte es sogar.

STANDARD: Fehlt Ihnen Spanien manchmal? In Barcelona durften Sie ab und zu mit Messi und Iniesta trainieren?

Soriano: Es würde mir schon gefallen, mit ihnen zu trainieren. Aber sie wechseln nicht nach Salzburg, also stellt sich die Frage nicht.

STANDARD: Sie haben einen Vertrag bis 2018 mit Option. Werden Sie in Salzburg in Pension gehen?

Soriano: Ich denke an das Heute und an das Morgen. Mit dem, was in zwei oder drei Jahren passiert, befasse ich mich nicht.

STANDARD: Befürchten Sie, dass Salzburg nach der Saison zerfällt, es weitere Abgänge gibt?

Soriano: Es ist möglich, dass einige gehen. Dann werden halt Neue kommen. Red Bull wird dafür sorgen, dass wir auch in der nächsten Saison erster Titelkandidat sind. Und in der übernächsten. (Christian Hackl, 22.5.2015)