Über die Folgerechtsabgabe profitieren Künstler oder deren Nachfahren von der Wertsteigerung: In den 1990er Jahren verkaufte Markus Prachensky dieses Gemälde ("Maremma", 1985) für etwa 8.000 Euro, nun soll es im Zuge einer Dorotheums-Auktion zwischen 28.000 und 38.000 Euro bringen. Bei einem Meistbot von 30.000 Euro beliefe sich die Vergütung auf 1.200 Euro.

Foto: Dorotheum

Der Mythos von Künstlern, die am Existenzminimum vorbeischrammen, während andere mit ihren Arbeiten und deren Wertsteigerung das große Geld verdienen, ist ein von Befürwortern des sogenannten Folgerechts gern zitierter. Gut 50 Prozent der Schaffenden und ihrer Erben, so die Annahme der Brüsseler Beamten, würden künftig von jedem Verkauf eines Kunstwerks mit einem gewissen Prozentsatz partizipieren (siehe unten "Wissen: Folgerecht").

Auf Initiative von Nationen wie Deutschland, die in den unterschiedlichen nationalen Bestimmungen eine Wettbewerbsverzerrung sahen, wurde das Folgerecht (als Teil des Urheberrechtsgesetzes) EU-weit harmonisiert und auch in jenen Ländern eingeführt, die zuvor keine entsprechende Regelung hatten. In Österreich erfolgte das 2006 für lebende Künstler, und seit 2012 beziehen auch Erben bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers "Tantiemen".

Die bisherige Bilanz fällt ernüchternd aus: Statt einer Mehrheit profitiert mit dem Establishment nur eine Minderheit. Im Hochpreissegment verlagerte sich der Handel teils in Länder ohne Folgerechtsbestimmungen (Schweiz, USA, China). Der administrative Aufwand ist enorm, etwa wenn es um die Ermittlung von begünstigten Erben und die Prüfung von Ansprüchen geht.

In Österreich werden die Vergütungen an die Künstler und deren Nachfahren direkt abgeführt, so sie nicht Mitglied bei der Bildrecht GmbH sind. Die 2014 an die heimische Verwertungsgesellschaft überwiesenen Beträge summierten sich auf 656.000 Euro. Der Anteil der Auktionshäuser lag mit 80 Prozent signifikant höher als der des Kunsthandels, bestätigt Geschäftsführer Günter Schönberger. Die Vergütung würde abzüglich einer Bearbeitungsgebühr halbjährlich an die Anspruchsberechtigten ausbezahlt.

Im Dschungel der Bürokraten

Oder auch nicht, wie Markus Prachenskys Witwe zu berichten weiß. Seit der Einführung des Folgerechts kümmert sie sich selbst um die Abrechnungen mit Auktionshäusern und Händlern. Vorerst lief das weitgehend problemlos. Bis sie im Oktober 2013 bei Bonhams (London) ein Gemälde (Los Angeles - 1968) ihres 2011 verstorbenen Mannes ersteigerte. Denn, so absurd es klingt, obwohl einzige Bezugsberechtigte, hatte sie die Folgerechtsabgabe zu bezahlen. Um diese (zurück) zu bekommen, musste sie jedoch Mitglied der britischen Verwertungsgesellschaft werden. Im Vertrag wurde eigens vereinbart, dass sich die Folgerechts-Einhebung ausschließlich auf britisches Territorium bezieht. Abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 15 Prozent bekam sie die Gebühr refundiert.

Eine folgenreiche Episode, denn ohne ihr Wissen war sie damit im Bürokratendschungel gefangen. Mitte März dieses Jahres urgierte Brigitte Prachensky beim Dorotheum, warum entgegen bisheriger Usancen die 2014 eingehobenen Vergütungen nicht auf ihrem Konto eingelangt wären. Die Verkäufe im November 2014 wären noch nicht abgerechnet, erklärte man, aber den aus der Mai-Versteigerung angefallenen Betrag in der Höhe von 1360 Euro habe man schon vor Monaten, genauer im Juli überwiesen: an Bildrecht, da Markus Prachensky dort unter Folgerecht gelistet sei.

Den Argumenten der Witwe gegenüber stellte man sich taub, also kontaktierte sie Günter Schönberger, ersuchte um sofortige Klärung, Löschung aus der Liste sowie um Überweisung sämtlicher in diesem Zeitraum angefallenen Erträge. Ohne Ergebnis. Mitte April übergab die Witwe die Causa ihrem Rechtsanwalt. Nun erfuhr Brigitte Prachensky, dass Bildrecht wider besseren Wissens den Betrag Ende März an die britischen Partner überwiesen hatte: abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von stattlichen 25 Prozent. "Bei uns fallen zehn Prozent an", rechtfertigt sich Schönberger auf STANDARD-Anfrage, "bei den Kollegen sind es 15", über Gegenseitigkeitsvereinbarungen sei das so geregelt. Man sei um eine Klärung bemüht. Dass hier bislang ausschließlich die Verwertungsgesellschaften profitierten, sei ein bedauerlicher Einzelfall. (Olga Kronsteiner, 23.5.2015)