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Der Eiffelturm blieb zumindest am Freitag geschlossen.

Foto: dapd/Patrick Sinkel

Es klingt auf den ersten Blick absurd – und ist es auch wirklich. Die rund 40 Mitarbeiter des "Empfangspersonals" am Eiffelturm sind am Freitag um 9.30 Uhr ohne Vorwarnung in den Streik getreten. Der Grund sind keine Lohnforderungen oder Arbeitsbedingungen, sondern Taschendiebe.

Sie sind auf der berühmtesten Sehenswürdigkeit der Lichterstadt eine wahre Plage. Meist kämen sie zu viert oder fünft, erzählte ein Streikender. Manchmal wilderten bis zu 30 von ihnen auf den verschiedenen Stockwerken des 324 Meter hohen Monuments. Da sie alle zumindest den Eintrittspreis von 15,50 Euro amortisieren wollen, lässt sich leicht vorstellen, wie energisch sie sich an die Brief-, Hosen- und anderen Taschen der Besucher heranmachen.

Aber offenbar nicht nur das: Die Streikenden berichten, dass sich die oft minderjährigen Diebe oft untereinander in die Haare geraten. Das geschehe öfters, wenn die Neuen das Jagdrevier der Angestammten missachteten. Ab und zu legen sie sich auch mit dem Personal an, wobei sie auch vor Drohungen nicht zurückscheuen. "Einer sagte mir, als ich ihn runterbringen wollte: Warum lässt du mich nicht arbeiten?", berichtete ein Streikender. Der Dieb habe ihn sogar bedroht: "Wir haben dich schon beim Verlassen des Turms gesehen. Wenn du so weitermachst, kriegst du ein Problem." Auch andere Angestellte berichten, sie seien von den Dieben angegriffen worden oder hätten Aggressionen gegenüber Touristen mitverfolgt.

Das "Recht, sich zurückzuziehen"

In Paris schlägt der wilde Streik umso höhere Wellen, als vor zwei Jahren schon die Angestellten des Louvre-Museums die Arbeit aus dem gleichen Grund niedergelegt hatten. Sie haben in Frankreich ein gesetzliches "Recht, sich zurückzuziehen", wenn sie sich bedroht fühlen. Im Louvre hatten die Taschendiebe vor allem in überfüllten Räumen wie vor dem Gemälde der Mona Lisa ihr Unwesen getrieben.

Die Empfangsmitarbeiter werfen den Direktionen vielerorts vor, sie schlössen die Augen vor der Plage. Nach dem Streik im Louvre warnen zwar viele Touristenmagnete und sogar einzelne Pariser Metrolinien via Lautsprecher – nicht zuletzt auf Japanisch und Chinesisch – vor den Taschendieben. Mitunter teilen sie sogar in Echtzeit mit, wenn eine neue Gang im Anmarsch ist. Aber viel ist bisher nicht passiert. Aus Imagegründen schalten die Direktionen die Polizei ungern ein; und selbst wenn diese rasch eintrifft, muss sie die raffinierten Diebe in flagranti stellen.

Direktion kündigt Maßnahmen an

Im Eiffelturm verlangt das Personal nun eine "formelle Garantie vonseiten der Direktion, damit sie dauerhafte und wirkungsvolle Maßnahmen gegen diese Plage ergreift, deren Opfer täglich zahlreiche Touristen sind". Die Angestellten erhalten von vielen Seiten Unterstützung, denn sie verweisen auch darauf, dass das Problem der Taschendiebe "sehr störend für ein Monument von internationaler Strahlkraft" sei. Und für den Fremdenverkehr insgesamt: Asiatische Touristen reagieren sehr rasch angesichts von Meldungen über grassierende Kleinkriminalität. Die Direktion erklärte, sie wolle alles daransetzen, dass der Eiffelturm so schnell wie möglich wieder öffnen kann. (Stefan Brändle aus Paris, 22.5.2015)