Gasthaus "Zum Wohl" in Wien-Mariahilf: Die Liebe zum Detail ist in der Gestaltung spürbar, bei der Küche hapert es noch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Portion des Lammrücken mit Buchweizenrisotto fällt bescheiden aus.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Schöne alte Wirtshauslampen, prächtige Zementfliesen, eine Bibliothek mit Qualitätszeitungen, internationalen Magazinen, Bildbänden und Lehnstühlen, die mit festem Loden bezogen sind: Das Gasthaus "Zum Wohl" empfiehlt sich auf ersten Blick als geschmackvolle, atmosphärisch dichte Neuinterpretation eines Wiener Speisehauses. Da will man sich sofort zum Essen an einen der zahlreichen Tische klemmen, nachmaliges Versumpern scheint vorprogrammiert.

Als Lieferanten werden Vorzeigebetriebe wie Gut Dornau oder der Labonca-Biohof ausgelobt, das Bier ist von der Salzburger Ausnahmebrauerei Gusswerk - was will man mehr? Dass der Service von ausgesuchter Freundlichkeit ist, kann man als Anfängerfehler verzeihen. Sind ja Quereinsteiger, die sich hier den Traum vom eigenen Wirtshaus erfüllen.

Ohne Laktose und Gluten

Christina und Alfred Schmidbauer machen damit aber noch einen ganz anderen ihrer Träume wahr: Das Unternehmerpaar aus Salzburg will beweisen, "dass man auch ohne Laktose und Gluten Geschmack auf den Teller kriegt". Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie diese betreffen bekanntlich immer mehr Menschen - von manchen aber werden sie offenbar als Lifestyle-Accessoire verstanden. So hat jeder bessere Koch haarsträubende Gast-Gschichtl'n von angeblich Betroffenen auf Lager, die dieser Tage auf "glutenfreier Panier" auf dem Schnitzel bestehen, aber offenbar gar keine Unverträglichkeit mit dem Brotkörberl ("Derf ma noch so Weckerln haben?") an den Tag legen.

Traumgäste dieser Art können ab sofort ins "Zum Wohl" umgeleitet werden, da ist das Körberl nämlich garantiert glutenfrei - der Inhalt, wiewohl optisch gebäckähnlich, weckt in Geschmack und Konsistenz aber Assoziationen an kunstvoll angeknusperten Schaumgummi. Für Betroffene ist das mutmaßlich ein Fortschritt, die anderen Gäste erleben es halt eher als Zumutung. Das ist beim glutenfreien Gusswerk-Bier zum Glück nicht der Fall. Okay, ganz so süffig wie sonst rinnt es nicht durch die Kehle, den Vergleich zu anderswo unvermeidlichem Konzerngschloder hält es aber souverän stand.

Hoppertatschig

Da kann die Küche nicht ganz mit. Manches, wie der bissfest gegarte Spargel mit Gemüsevinaigrette und Rauchschinken, gelingt tadellos. Anderes aber gemahnt auf unglückliche Weise an Zeiten, als Restaurants mit Gesundheitsfokus oft nur gut Gemeintes auf die Teller zu bringen vermochten. Steckrüben mit Gartenkresse und Leinöl etwa - statt die köstlichen Rüben roh zu marinieren, zu grillen oder zumindest knackig zu garen und mit Witz anzumachen, werden sie hier bis zur Mehligkeit niedergekocht, was sie auf längst vergessen geglaubte Weise fad, kelchbitter, unattraktiv erscheinen lässt. Oder Zucchini mit Korianderkarotten und Olivenöl: Irgendwie eh genießbar, als Vorspeise um neun Euro aber ist das ärmliche Häuflein Gemüse eine krasse Fehlbesetzung. Vor allem, wenn der Tischnachbar für einwandfreien Erdäpfel-Käferbohnen-Blattsalat mit knusprigem Labonca-Speck nur 4,90 Euro löhnt.

Gedämpfte Seeforelle wird mit heftig gesalzenem Bärlauch-Erdäpfelpüree kombiniert - soll sein. Nur: Eine Knofelbombe wie diese noch mit Pesto zu garnieren ist definitiv hoppertatschig. Dass Paprikahendl um 14,50 locker die dreifache Menge Fleisch auf dem Teller hat wie der Lammrücken mit Buchweizenrisotto um 26 Euro, fügt sich ins Bild eines in Ansätzen tollen Wirtshauses, bei dem das Konzept aber offensichtlich wichtiger war als das, was aus der Küche kommt. (Severin Corti, RONDO, 29.5.2015)