Geht es um die Finanzierbarkeit des Pensionssystems, bestechen die Regierungsparteien mit Verlässlichkeit. Seit Jahrzehnten dreht sich die Debatte um dieselben Schlagwörter, Rot und Schwarz bedienen in erster Linie ihre Kernklientel. Die SPÖ stimmt zwar der von vielen als notwendig erachteten Anhebung des faktischen Antrittsalters zu, beschwichtigt aber, man liege ohnehin auf Kurs. Die ÖVP wehrt sich nachhaltig gegen das lange angekündigte Bonus/Malus-System für Betriebe und kramt stattdessen Forderungen wie die vorzeitige Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters für Frauen aus der Schublade.

Die Regierung versteift sich auf eingefahrene Positionen. Lösungen für die strukturellen Gründe, warum ältere Arbeitnehmer noch immer relativ früh den Weg in die Pension wählen, findet sie nicht. Nicht immer erfolgt diese Entscheidung freiwillig. Arbeitslosigkeit, atypische Beschäftigung, Krankheiten oder familiäre Verpflichtungen – es gibt viele Gründe, warum Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden, obwohl sie eigentlich noch länger arbeiten wollen. Zu Recht fordern Experten konkrete Schritte bei Arbeitsbedingungen, Gesundheitsvorsorge und einer gleichmäßigeren Verteilung der Arbeit.

Studien belegen, wie wichtig das Arbeitsklima ist. Beschäftigte, die das Gefühl haben, der Arbeitgeber will sie loswerden, sind oft großen psychischen Belastungen ausgesetzt. Es darf niemanden wundern, dass diese Gruppe sich relativ schnell aus dem Arbeitsleben verabschiedet. Nicht sie führen die Debatte um ein längeres Arbeiten, sondern jene mit den erfüllenden Jobs.

Fairerweise muss gesagt werden: Die Regierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm zumindest verbindliche Ziele gesetzt. In einzelnen Bereichen ist ein Bemühen zu erkennen, etwa mit der Einführung des Rehabilitationsgeldes im vergangenen Jahr oder der verpflichtenden Evaluierung von psychischen Belastungen am Arbeitsmarkt.

Doch selbst kleine Veränderungen wie diese müssen hart erkämpft werden. Ansonsten gilt: Immer, wenn es konkret wird, verhindern die Begehrlichkeiten der Stammklientel große Sprünge. Werden nicht jetzt die notwendigen Anreize für bessere Arbeitsbedingungen und Chancengleichheit am Arbeitsmarkt gesetzt, wird man nie dorthin kommen, wo Länder wie Finnland schon heute stehen. Wenn die Bedingungen dafür geschaffen wurden, dass Beschäftigte länger im Erwerbsleben bleiben können, wird sich das tatsächliche Antrittsalter von alleine erhöhen. Davor über Änderungen beim gesetzlichen Pensionsalter nachzudenken ist müßig. (Simon Moser, 28.5.2015)