"Go down, Moses": Wird der Messias je kommen? Schon Urmenschen in einer Höhle artikulieren ihren Erlöserbedarf.

Foto: Guido Mencari

Wien - Romeo Castelluccis Theaterproduktion Go down, Moses gibt dem Wiener Festwochen-Besucher nicht bloß Rätsel auf. Sie selbst ist ein einziges 80 Minuten langes Rätsel. Der biblische Prophet Moses ist ein Geschöpf unserer Tage. Er wird auf dem Klosett einer billigen Gaststätte unter Blut und Schmerzen zur Welt gebracht. Die Mutter legt ihr Kind weg und ist auf der lokalen Polizeiwache unter keinen Umständen bereit, über seinen Verbleib Auskunft zu geben.

Doch ist es mit einer dürren Inhaltsangabe kaum getan. Die Aufführung der italienischen Socìetas Raffaello Sanzio hinterließ im Theater an der Wien tausend Fragen: Wer ist der Messias? Hat es für den Menschen überhaupt Sinn, auf den Erlöser zu warten? Zum ohrenbetäubenden Lärm einer sphärischen Schöpfungsmusik sieht man eine Horde Urmenschen in ihrer Höhle sitzen. Ein Kind stirbt, die desperate Frau Mama schreibt mit bloßen, farbbeschmierten Händen "SOS" auf den transparenten Schleier, der das kleine szenische Wunderwerk vom entgeisterten Publikum trennt. Regisseur Romeo Castellucci ist ein notorischer Gottsucher. Seine Bilder wurden von Teilen des Publikums mit Unverständnis quittiert. Sein Theater jedoch gehört zu den spirituellen Kunstschätzen unserer ernüchterten Tage. Es ist unverzichtbar. (Ronald Pohl, 28.5.2015)