Schachteln als ideale Kulisse für Vergehen und Erinnern.

Foto: Ligia Jardim

Wien - Kartonschachteln stapeln sich auf der mit Kunstgrün ausgeschlagenen Bühne. Dazwischen bereiten zwei Töchter ein Fest zum Geburtstag des dementen Vaters vor, sichert eine Enkelin die Erinnerungsstücke im verfallenden Familiensitz und diskutiert ein Paar seine Trennung, um dann doch zusammenzubleiben.

So zusammenhanglos die Situationen scheinen mögen, erweisen sie sich bald als Fragmente der Biografie von Thiago, dessen Leben im Zentrum der Geschichte steht, die die Companhia Hiato in O Jardim erzählt.

Im Rahmen der Festwochen gastiert die brasilianische Theatertruppe mit der 2011 uraufgeführten Produktion im Wiener Museumsquartier. Und begeistert ungeachtet der Sprachbarriere - denn gespielt wird auf Portugiesisch mit deutschen Übertiteln.

Drei Tribünen für drei Bühnen

Mit verantwortlich für den tosenden Schlussapplaus zeichnet neben der darstellerischen Kraft - besonders packend etwa die Demenzgesten Thiagos - die ganz besondere Bühnensituation: Von drei Tribünen aus schaut man auf eine mithilfe von Kartonschachteln ebenso dreigeteilte Bühne, auf der die Schlaglichter einer Familiengeschichte zu drei verschiedenen Zeitpunkten zugleich gespielt werden. Nach einer halben Stunde verlassen die Akteure ihr bisheriges Spielfeld und beginnen im nächsten von neuem.

In je nach Sitzplatz verschiedener Reihenfolge ist so eine Szene nach der anderen zu sehen, und doch sind alle drei stets präsent: akustisch durchdringen sie den gesamten Bühnenraum, inhaltlich bilden wiederkehrende Motive Parallelen und Verschachtelungen zwischen den Einzelsituationen, in deren Zuge der Alzheimerkranke der Tochter schon mal auf die Brüste greift, im Glauben, es wären jene ihrer Mutter.

Familientreffen in der Gartenvilla

Schauplatz des Ganzen ist die von Thiago vor 80 Jahren erbaute Gartenvilla - ein Ort, in den sich das Vergehen der Zeit einschreibt und über den die Selfie-schießende Enkelin feststellen wird: "Die Dinge überdauern die Menschen." Auch wenn sie dabei wie jene verfallen, tun Einmachgläser, Kleider, Fotos und all die anderen Habseligkeiten, die ein Leben ausmachen, dies doch oft langsamer.

Was Autor und Regisseur Leonardo Moreira und seinen Darstellern in O Jardim gelingt, ist ein spannendes Dreigenerationen-Drama, dessen Kartonschachtelkulissen eindrückliche Symbole für Erinnerung und Wandel abgeben. Dass man Blumen im titelgebenden Bühnengarten von Marisa Bentivegna abseits von Textilem vergebens sucht, macht ebenso Sinn - schließlich ist nicht die Blüte das Thema, sondern das Werden und Vergehen. (Michael Wurmitzer, 28.5.2015)