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Finanzminister Michel Sapin

Foto: AP/Meyer

Die französische Wirtschaft ist in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 0,6 Prozent gewachsen, um 0,2 Prozent mehr, als der Finanzminister Michel Sapin angenommen hatte. Das Wachstum ist eine Überraschung. Vor allem weil der "kranke Mann Europas", wie Frankreich vielenorts - und noch vor Griechenland - bezeichnet wird, sogar besser abgeschnitten hat als Großbritannien oder Deutschland.

Was die Aussichten betrifft, rechnet Sapin für Frankreich nun mit "mehr als einem Prozent Wachstum bis zum Ende des Jahres". Das ist schon viel für Frankreich, das sich seit 2013 an Null-Komma-Zahlen gewöhnt hatte. Viele fragen, ob die jüngste Quartals-Überraschung eine Wende, das heißt den Beginn eines echten Aufschwungs darstelle - oder nur eine konjunkturtechnische Korrektur gegenüber den Minuszahlen 2014.

Klar ist, dass ein Großteil der Zunahme auf das günstige Umfeld mit Euroabwertung, tiefen Zinsen und ebensolchen Ölpreisen zurückzuführen ist. Wohl nicht nur - sonst hätten andere EU-Größen in gleichem Maße zugelegt. Die tiefen Zinsen haben in Frankreich die Investitionen so wenig angekurbelt wie der schwache Euro die Exporte.

Importe gestiegen

Paradoxerweise sind die Importe nach Frankreich stärker gestiegen. Das hat seine Erklärung darin, dass die Franzosen wieder mehr als bisher einkaufen: Der Absatz von Konsumgütern ist in Frankreich in den ersten drei Monaten um 0,8 Prozent gestiegen. Das erklärt weitgehend die neuerliche Zunahme des französischen Wirtschaftswachstums. "Schuld" daran ist vor allem der tiefe Ölpreis, der die Kaufkraft der Franzosen erhöhte. Allerdings nahmen auch die Löhne stärker zu als die Inflation. Namentlich die Autoverkäufe legten deshalb stark zu.

Die Franzosen leben aber weiterhin von der Hand in den Mund, ohne die Zukunft vorzubereiten. Die Investitionen ihrer Unternehmen sind im ersten Vierteljahr nur um 0,2 Prozent gestiegen. Das ist mehr als in den drei Stagnationsjahren zuvor, aber eigentlich sehr wenig, wenn man die günstigen Zinsbedingungen in Betracht zieht. Nüchterne Geister verweisen zudem auf den anhaltenden Rückgang der Bauwirtschaft. Alles in allem wirkt die Konjunktur wie ein zartes Pflänzchen, das sich an der Frühlingsluft labt, aber durch äußere Einflüsse jederzeit zerstampft werden könnte. (Stefan Brändle, 29.5.2015)