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In vielen national-konservativen Blättern geht es darum, noch möglichst viel gegen die Regierung von Alexis Tsipras zu argumentieren.

Foto: REUTERS/Ints Kalnins

"Lagarde hält Grexit für möglich". Tut sie das? Nicht so sicher. Die "FAZ" korrigierte am vergangenen Donnerstagabend Titel und Textbeginn eines Gesprächs mit der Direktorin des Internationalen Währungsfonds am Rande des Treffens der G7-Finanzminister und Notenbankchefs in Dresden. Lagardes Pressemitarbeiter hatten eine Änderung erbeten, als die Finanzmärkte auf die Aussage der IWF-Chefin reagierten.

"Lagarde schließt Grexit nicht aus", lautete der neue, etwas zurückhaltendere Titel später, konstruiert aus einem anderen Zitat Lagardes, auf das sich die Redaktion offenbar mit dem IWF geeinigt hatte und mit dem der Artikel nun begann: "Niemand wünscht den Europäern einen Grexit." Im Redaktionsgewerbe nennt man das "zuspitzen". "Manipulieren" wäre – je nach Auslegungskraft, die der Journalist aufwendet – eine andere Umschreibung. Man suggeriert dem Leser, was der/die Befragte angeblich gedacht, aber nicht ausdrücklich gesagt hat, als er/sie geantwortet hat. Auch der Umkehrschluss einer Aussage gilt, wie im vorliegenden Fall mit der IWF-Chefin, wobei die Logik bei diesem Verfahren mitunter über Bord geht, nicht aber die politische Absicht (Lagarde: "Niemand wünscht den Europäern die Rückkehr der Spanischen Grippe." Zeitungs-Titel: "Lagarde schließt Spanische Grippe nicht aus.") Was Christine Lagarde in Dresden tatsächlich sagen wollte, ist auch nicht klar. Vielleicht, so heißt es, hat sie ihren Satz über den Grexit auch gar nicht beendet: "You know, it's a potential ..." soll in der Mitschrift des Interviews stehen.

Die Voreingenommenheit der internationalen, vor allem der deutschen Medien in der Frage der griechischen Schuldenkrise wird nun allerdings doch zunehmend als Problem wahrgenommen. Je näher der Zeitpunkt von Einigung oder Scheitern in den Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Geldgebern rückt, umso verbissener spielen sich Politiker, Journalisten und Vertreter der Kreditgeberseite ohne gewähltes Mandat die Bälle zu. Es geht darum, noch möglichst viel gegen die Regierung von Alexis Tsipras zu punkten, bevor das Spiel abgepfiffen wird.

Sicht der USA

Die "New York Times" hat das Trommelfeuer aus Deutschland gegen die Griechen und die Gegenangriffe mancher griechischer Medien gerade zum Gegenstand eines Berichts gemacht. "Sogar Hinterbänkler im deutschen Parlament, deren Ansichten von den deutschen Medien vielleicht ignoriert würden, können sich in Griechenland Sendezeit verdienen, wenn sie eine rhetorische Granate zum Thema Rettungskredit schleudern", hieß es dort. Die US-amerikanische Sicht auf die seltsamen Europäer und deren Umgang miteinander ist, wie so oft in diesen Jahren, die Rückentwicklung des europäischen Gedanken erhellend; "Continental breakup", das Erklärstück zur griechischen Finanzkrise aus der Radioserie "This American Life" aus dem Jahr 2012, kann man nicht oft genug empfehlen.

"Enttäuschter Philhellenismus und Verachtung für das moderne Griechenland" lautete eine Erklärung, die Marcus Walker, ein Wirtschaftsredakteur des "Wall Street Journal", dieser Tage bei einer Panel-Diskussion in Athen für die Kampagne der deutschen Medien und die Aggressivität der deutschen Politiker gab. National-konservative Blätter wie die "FAZ" oder "Die Welt" sehen die griechische Schuldenkrise dagegen durch die ideologische Brille, sagte Walker, der lange in Berlin arbeitete: Wir haben die D-Mark für den Euro hergegeben, und niemand hat zu teilen oder zu zahlen in dieser Union sich selbst erhaltender Nationen, lautet der Glaubenssatz. Der Sieg der linksgerichteten Syriza bei der Parlamentswahl im Jänner war für die Deutschen wieder ein Verrat, ein gebrochenes Versprechen der Griechen – sie wollen nicht ihren Teil der Abmachungen für die Kredite erfüllen.

Mehr Kenntnis vorhanden

Nach fünf Jahren Schuldenkrise und internationaler Berichterstattung über Griechenland gäbe es unterm Strich gleichwohl mehr Kenntnis über das Land und auch bessere Medienbeiträge, meinte Maria Margaronis, eine in London lebende Korrespondentin für "The Nation" und BBC, bei dem Diskussionsabend von Analyze Greece, einer neuen linksstehenden Informationsplattform, die von Mitarbeitern der Syriza-nahen Zeitung "Avgi" gegründet worden ist.

Das britische Massenblatt "Daily Mail" steht dagegen gerade wegen eines als besonders unsensibel empfundenen Beitrags in Griechenland am Pranger. Die Rom-Korrespondentin der Zeitung war auf die Insel Kos gereist und hatte, reichlich garniert mit Fotos, über den Ansturm von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan berichtet, die im Zentrum der Inselhauptstadt gestrandet sind – all dies jedoch aus der Perspektive britischer und niederländischer Touristen. Titel: "Holiday Britons caught up in migrant nightmare." Um mit Frau Lagarde zu sprechen: You know, it's a potential b-shit. (Markus Bernath, 1.6.2015)