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Hans Jörg Schelling droht Ungemach aus Brüssel.

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Der Vorsitzende des Fiskalrats, Bernhard Felderer, sieht die Einhaltung der EU-Budgetregeln gefährdert, wenn die Regierung nicht noch gegensteuert.

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Übersicht des Fiskalrats zu Budgetregeln der EU.

Wie sich die Steuerreform auf das Budget auswirkt.

Wien – Eigentlich ist die Steuerreform das Prestigeprojekt von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Nachdem zuletzt aber nicht die Entlastung der Arbeitnehmer, sondern die Abschaffung des Bankgeheimnisses die Debatte dominierte, droht nun weiteres Unheil. Nächstes Jahr könnte Schelling nämlich ein mahnender Brief der EU ins Haus stehen, in letzter Konsequenz sogar Strafzahlungen fällig sein. Aus dem Dickicht an EU-Regeln dürfte der Regierung aber auch noch eine andere Vorgabe in die Quere kommen.

Die Steuerreform frisst dem Finanzminister eine Lücke ins Budget, wenn es nach dem Fiskalrat geht, der über die Einhaltung der EU-Budgetregeln wacht. Zuletzt haben bereits die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) ähnliche Berechnungen angestellt.

Schon in diesem Jahr soll das strukturelle Nulldefizit von 0,45 Prozent des BIP wackeln, wie der Fiskalrat berechnet hat. Dabei geht es um die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben, wenn Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte herausgerechnet werden. Der Fiskalrat rechnet mit einem Defizit von 0,6 Prozent, was aber noch in der tolerierten Bandbreite der EU liegt. Im nächsten Jahr ist die Abweichung dann "erheblich", so der Vorsitzende des Gremiums, Bernhard Felderer.

Mit einer optimistischen Variante kommt der Fiskalrat auf ein strukturelles Defizit von einem Prozent, die pessimistischere Variante – die laut Felderer wahrscheinlicher ist – auf ein Minus von 1,6 Prozent. Beides würde EU-Regeln brechen. Das Finanzministerium geht davon aus, dass keine "erhebliche Abweichung" vorliegen wird.

Die unterschiedliche Einschätzung ergibt sich aus anderen Annahmen zur Gegenfinanzierung der Steuerreform und verschiedenen Berechnungsmethoden. Wie zuletzt berichtet, berechnet die EU das strukturelle Defizit anders als das Wifo, auf dessen Zahlen das Finanzministerium baut. Der Fiskalrat hat seine Berechnungen gleich wie die EU durchgeführt, diese sind für die Einhaltung der EU-Regeln entscheidend.

Bei einer "erheblichen Abweichung" tritt ein sogenannter Frühwarnmechanismus in Kraft. Die EU fordert dann Korrekturen und gibt dem Land für die Erfüllung dieser eine Frist vor. Bei Nichtbefolgung müsste Österreich in letzter Konsequenz Strafzahlungen auf einem EU-Konto hinterlegen. Erst bei Erfüllung der Vorgaben würde das Geld dann wieder zurückbezahlt werden. Eine Abweichung gilt dann als "erheblich", wenn sie in einem Jahr oder kumuliert über zwei Jahre 0,5 Prozentpunkte beträgt.

Österreich muss sein strukturelles Defizit laut EU im nächsten Jahr um 0,3 Prozentpunkte absenken. Laut Fiskalrat passiert aber genau das Gegenteil: Das Defizit soll um mindestens 0,4 Prozentpunkte – wenn nicht sogar um einen Prozentpunkt – steigen. Die EU-Kommission hat Österreich deswegen erst im Mai gewarnt und von Finanzminister Schelling Nachbesserungen gefordert.

Auch eine andere Regel könnte Finanzminister Schelling künftig Kopfschmerzen bereiten. Ab 2017 muss Österreich seine Staatsschulden schrittweise wieder auf die Maastricht-Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung reduzieren. Es sind aber bereits Übergangsregelungen in Kraft, auch für diese Regel ist ein Abbau des strukturellen Defizits notwendig.

Fallen die Einsparungen in der Verwaltung oder die zusätzlichen Mittel aus der Betrugsbekämpfung niedriger als geplant aus, könnte Österreich im nächsten Jahr auch hier "erheblich abweichen", heißt es in der Analyse des Fiskalrats. Das würde keinen Frühwarnmechanismus, sondern gleich ein schärferes Defizitverfahren der EU auf den Plan rufen. Auch hier könnten Strafzahlungen drohen, die bis zur Erfüllung zu hinterlegenden Gelder werden im Unterschied zu den Sanktionen bei der Defizitregel nicht verzinst. Der Staat verliert hier also Geld.

"Wir sollten uns als kleines Land mit Drohungen aus Brüssel nicht spielen, das kann sich höchstens Frankreich erlauben", plädierte Bernhard Felderer an die österreichische Regierung.

Der Ex-Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) kritisierte auch die stetig steigenden Staatsausgaben. Im nächsten Jahr, wenn die Konjunktur wieder Fahrt aufnehme, sollte man eigentlich mit einem "dramatischen Rückgang" beim Ausgabenwachstum rechnen, so Felderer. Der Fiskalrat prognostiziert aber ein um Einmaleffekte bereinigtes Wachstum von 2,1 Prozent bis 2,7 Prozent, was etwa im Schnitt der vergangenen Jahre liegt.

Der Finanzminister könne in einen riesigen Blumenstrauß greifen und brauche nur eine Blüte herausnehmen, so Felderer. Viel Geld könne man etwa im Bereich der Verwaltung, bei Förderungen oder im Pensionssystem einsparen. (sat, 2.6.2015)