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Erika Mann, bei der Ankunft in Rom 1931 - an ihrer Seite Künstlerfreund Richard Hallgarten.

Foto: Getty Images (Ullstein Bild/Hans Henschke)

"Heil dir im Siegerkranz." Als die deutsche Kaiserhymne zum letzten Mal offiziell ertönte, war Erika Mann 13 Jahre alt. Jetzt, am 6. Juni 1931, mit bald 26 Jahren, hatte sie ihn selbst um: Soeben hatte Thomas Manns Erstgeborene, "Eri", eine von Ford und dem deutschen Automobilclub veranstaltete 10.000-Kilometer-Rallye quer durch Europa (Schweiz, Frankreich, Spanien, Portugal, Österreich, Ungarn, Jugoslawien) gewonnen.

Ein Leben lang zeigte Erika ein Faible für Ford, noch 1966, drei Jahre vor ihrem Tod, zeigte sie sich in einem neuen Mustang, und als vor wenigen Jahren ihre Gelegenheitstexte für "Ford im Bild", das Werbemagazin des Herstellers, wiedergefunden wurden, inklusive ihrer Rallye-Berichte, die sie 1931 zwischen den Etappen geschrieben hatte (Titelblatt der Juli-Nummer: "Auch wir Frauen haben's geschafft"), war das in Fachkreisen eine kleine Sensation.

Der Tortur, ab 24. Mai mit 14 anderen Paaren von Berlin aus in zehn Tagen Europa zu durchqueren, "in einem kleinen Ford" (dessen Kotflügel sie "an die geschmeidige Härte eines Max Schmeling" erinnere), auf miserablen Straßen und stets reparaturanfällig, hatte sie sich mit dem ihr eigenen Enthusiasmus ausgesetzt. Einmal, weil sie eben narrisch war aufs Autofahren, einmal aber auch aus Sorge um den depressiven Freund aus Kindertagen, Richard Hallgarten. Den hatte sie kurzerhand auf den Beifahrersitz verfrachtet - Mensch, guck mal, Ricki, ist das Leben nicht wundervoll?! -, ihr 1932 erschienenes erstes Kinderbuch "Stoffel fliegt übers Meer"
zieren seine Illustrationen. Vergeblich, Hallgarten nahm sich am 5. Mai 1932 das Leben.

Selbstfahrerin

1931. Rallye. Nicht mehr lange, und Hitler übernimmt daheim die Macht, der Widerstand gegen ihn wird sie mit der Familie bis in die USA verschlagen, auch dies eine Facette der sprichwörtlichen Unbehaustheit des modernen Menschen. Erika kann übrigens als Einzige der Familie ihr Auto vor der Beschlagnahme durch die Nazis retten und in die Schweiz bringen. Jedenfalls, 1931: "Wir wechseln die Länder weit öfter als die Kleider", meldet Erika aus Mussolinis Rom. Zum Abenteuer gehören: Frühstück beim Tanken, Streckenkarte studieren beim Reifenwechsel, als rasende Reporterin Berichte verfassen, und an Schlaf ist kaum zu denken. Für sie ein einziger "toller Ausnahmezustand".

Auf Bildern jener Zeit zeigt sich ein neugieriger junger Mensch mit modischer Bubikopffrisur, sie lässt sich selbstbewusst im Monteursanzug fotografieren - insofern erwähnenswert, als da die Zeit der Herrenfahrer noch nicht lange vorbei war. Auch wenn die erste Autofahrt der Welt von einer Frau unternommen wurde (Bertha Benz, 1888); auch wenn die Akzeptanz der "Selbstfahrerinnen" in den 1920er-Jahren wuchs; auch wenn in der Weimarer Republik die Autofahrerin als Sinnbild für die "neue Frau" Medieninteresse weckte: Das Metier war weiter Männerdomäne, und da war Erika quasi die erste Mann am Steuer.

Zu schnell gefahren

Wie tief diese Leidenschaft ging, zeigt sich auch daran, dass ihr die besten Ideen für ihr literarisches Schaffen und wunderbare Schmonzetten im und rund ums Auto kamen, dieses Prüfgerät für "Damen und Herrn": "Eine Nachtfahrt im Auto, und du weißt alles" ("Sport und Charakter").

Mit ihrem Bruder Klaus einte sie ein Wanderleben - mit dem Auto im Zentrum. Zu schnell fuhr sie fast immer. Dass es verboten sei, wollte ihr nicht einleuchten. Dass sie es konnte, stand in der Familie außer Zweifel. Einmal musste ihr Vater ins Krankenhaus. Die Lunge. Erika fuhr das Auto. Nach der Untersuchung genehmigte er sich im Wagen "etwas Wermut und Cigarette". Das war in Amerika. Am 8. Mai 1945. Das Deutsche Reich hatte die Waffen gestreckt. (Andreas Stockinger, Rondomobil, 20.6.2015)