Der Deutsche Schorsch Meier gewinnt auf der kompressorgeladenen BMW 255 als erster Nichtbrite die Senior TT - was 1939 nicht nur eine sportliche Aussage war.

Foto: BMW

Der Pokal der 1939er-Senior-Tourist-Trophy.

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Der unerwartete Besuch hat die gute Dame jetzt nicht wirklich aus der Fassung gebracht, aber überlegen musste sie sich doch was. Im Grunde ist die Isle of Man ein ruhiger Fleck Erde, der in der in der Irischen See einen noblen Abstand zu Schottland, aber auch England und Irland wahrt. Die Reichen, die sich hier niedergelassen haben, weil der Steuerberater das für eine gute Idee hält, sind auch nicht um viel Aufsehen bemüht. Nicht einmal die Sommer sind heiß, nicht einmal die Winter kalt. Im Grunde gibt es auf der Isle of Man nicht viel. Nicht einmal Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Diesem Umstand ist auch zu verdanken, dass die bösen Buben von Top Gear öfter einmal auf der nicht einmal 600 Quadratkilometer großen Insel vorbeischauen. Die Isle of Man ist britischer Kronbesitz, aber weitgehend autonom. Darum war es auch schon 1907 möglich, dass es hier kein Tempolimit gab, während man in Großbritannien nicht einmal 25 km/h schnell fahren durfte. Und das war auch der Grund, warum auf der Isle of Man 1907 die erste Tourist Trophy ausgetragen wurde.

Schlechter Schutz

Die Tourist Trophy gilt als das härteste, das erbarmungsloseste und das gefährlichste Motorradrennen der Welt. Gefahren wird auf den normalen Straßen, die schmal sind, holprig und keine Sturzräume haben. Dort und da ein Sandsack oder etwas Stroh sind der einzige Schutz. Ein schlechter Schutz. Darum sterben fast jedes Jahr Fahrer bei diesem Rennen. Wer einen Fehler macht, fliegt ab, landet in der Hecke oder durchschlägt einen Zaun. Im Fall der eingangs erwähnten Dame kamen Motorrad und Fahrer, die auf einmal in der Wiese vorm Haus lagen, sogar durch das Gartentürl.

Wie hoch der Schaden war und wer diesen übernommen hat, das ist uns nicht überliefert worden. Aber der Dame dürfte es doch recht unangenehm gewesen sein - und damit ihr das nicht wieder passiert, ließ sie von nun an ihre Gartentür offen stehen, wann immer die tollkühnen Männer auf die Insel kamen, um dort ihre knatternden Kisten fliegen zu lassen. Heuer öffnete sie demnach am 30. Mai ihren Hof und das Gartentürl, um bis 12. Juni ihren Eingangsbereich vor Schaden zu schützen.

Zweimal im Jahr wird der Snaefell Mountain Course für den Verkehr gesperrt und mutiert zur rund 60 Kilometer langen Rennstrecke. Im Frühjahr findet hier die legendäre Tourist Trophy statt, die seit 1911 auf diesem Kurs fährt. Im Herbst treffen sich dann die Veteranen zur Classic TT.

Mit 330 km/h über die Insel

Die Rennmaschinen fahren mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von weit über 200 km/h und erreichen einen Topspeed von über 330 km/h. Je nach Rennklasse müssen die Fahrer vier bis sechs Runden im Rennen bewältigen. "Wer hier keine Angst hat, der ist irre", behauptete der Österreicher Horst Saiger noch vor zwei Jahren. Heuer ist er nicht am Start, weil er vor kurzem, beim North West 200, ebenfalls ein Straßenrennen, einen Sturz hatte, bei dem auch eine Zuschauerin schwer verletzt wurde.

Mit dem Seitenwagenpiloten Michael Grabmüller tritt ein anderer Österreicher bei der Tourist Trophy an. 109 Meilen Durchschnittsgeschwindigkeit möchte er mit dem Gespann erreichen. Keine Rede davon, in die Fußstapfen von Klaus Klaffenböck zu treten, der 2010 die Seitenwagen-Wertungen für sich entschied. Ein weiterer österreichischer Pilot, der mit der Tourist Trophy verbunden ist, ist Rupert Hollaus, der im Rennen 1954 obsiegte. Der erste Nichtbrite, der die Senior TT für sich entscheiden konnte, war Schorsch Meier, 1939 - auf der 60 PS starken, mit einem Kompressor aufgeladenen BMW 255. Sein Teamkollege Jock West wurde Zweiter. Eine Sensation seinerzeit, auch eine politische.

Schön anzusehen

Im vergangenen Jahr zeigte BMW die Maschinen wieder bei der Classic TT. Bei der Tourist Trophy für historische Motorräder geht es etwas ruhiger zu. Auch wenn die Fahrer weder sich noch den alten Eisen etwas schenken, steht doch die Freude an der Historie im Vordergrund. Alte Maschinen wie die BMW 255 rennen keine 300 km/h. Auf den ruppigen Straßen der Isle of Man sind sie wegen des schlechten Fahrwerks kaum zu derbändigen.

Aber sie sind schön anzusehen, die alten Eisen. Und viele der alten Herren, die eine dieser Maschinen fahren, erzählen spannende Geschichten von früheren Rennen. Nur für den Fall, dass einer von ihnen plötzlich samt Maschine im Garten liegt. (Guido Gluschitsch, Rondomobil, 20.6.2015)