Mit der Oase ist es im Grunde genau so wie mit dem Loch. Letzteres ist ein Nichts, das zum Lochsein ein Etwas um sich herum benötigt. Erstere wird erst durch die Wüstenhaftigkeit ihres Drumherums eine solche. Man kann dies bestens nachvollziehen, wenn man an einem heißen Tag am Keshavarz-Boulevard in Teheran steht, hinter dessen acht Spuren der grüne Laleh-Park mit Erholung lockt. Die Luft in der iranischen Hauptstadt ist eine der schmutzigsten der Welt, kein Wunder, denn die vielen Schnellstraßen sind permanent verstopft.

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Der Fin-Garten bei Kaschan im Zentral-Iran zählt zu den bekanntesten Beispielen
für persische Gartenkunst.
Foto: Corbis/Frans Lanting

Umso wichtiger sind die Parks in der Acht-Millionen-Metropole. Doch wie die Oase erreichen? Ampeln sind mehr als Dekoration zu verstehen oder fehlen an den meisten Kreuzungen. Also sucht sich der Abendländer einen Teheraner oder eine Teheranerin, in deren Wind- beziehungsweise Autoschatten er die Asphaltwüste in Richtung ersehntes Grün überqueren kann.

Schutz gegen Lärm

Hat man es geschafft, betritt man eine bessere Welt. Das gilt für architektonische Meisterwerke persischer Gartenkunst wie den Fin-Garten bei Kaschan ebenso wie für jüngere, wenig bebaute Flächen wie den Laleh-Park nahe der Teheraner Uni. War er früher Schutz gegen Wüstenwinde, schützt er heute gegen den Lärm der Stadt. Die Parks des Iran sind wie Wohnzimmer, abgeschirmt durch dichte Bepflanzung am Rand. Und sie sind, ähnlich wie Wiener Kaffeehäuser, "dritte Orte", also den Zwängen von Arbeitsplatz und Familie enthoben.

Im Laleh-Park sieht man junge Pärchen, Hand in Hand oder eng umschlungen auf Bänken hocken, mal lachend, mal auf dem Mobiltelefon tippend, oft wird tränenreiche Beziehungsarbeit absolviert. Daneben lernen Studenten im Gras, oder es wird Badminton und Volleyball gespielt (junge Generation, gemischtgeschlechtlich!); in schattigen Pavillons sitzt die ältere Generation bei heißem Tee und Schach (nur Männer).

Unaufdringliche Neugierde

Iranische Gärten sind multifunktionale Paradiese und der ideale Ort, um ins Gespräch zu kommen. Nicht dass das besonders schwer wäre. Bedingt vor allem durch die seit 2006 bestehenden Sanktionen sind westliche Touristen hier noch dünn gesät, umso mehr stürzen sich die nach Kontakt zur restlichen Welt sehnenden Iraner auf die wenigen Ausländer. Auf wundersame Weise gelingt es ihnen dabei, gleichzeitig neugierig und unaufdringlich freundlich zu sein.

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Eine Statue des Astronomen Abu Rayhan al-Biruni im Laleh-Park

Der 42-jährige Familienvater Farshad fragt etwa, wie das denn funktioniere mit dem Wechsel der Lebensabschnittspartner. Sich trennen, wie macht man das? Und stimme es, dass man mehrere Girlfriends gleichzeitig haben könne? Jedenfalls würde er gerne in den Westen reisen. Der jetzt in Aussicht gestellten Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen sieht er, wie viele seiner Landsleute, mit abwartender Vorfreude entgegen. Antiamerikanisches hört man kaum. Noch gibt es in Teheran zwar die riesigen "Down with USA"-Wandgemälde, doch ihre Farbe blättert ab, sie werden nur noch von Touristen beachtet.

Bergbach als Lebensader

Trotz der Sanktionen wird in Teheran eifrig gebaut – auch an den Parks. 2014 wurde im Norden der Stadt die Tabiat-Brücke fertiggestellt, entworfen von der jungen Architektin Leila Araghian. Die 270 Meter lange Fußgängerbrücke über eine Stadtautobahn verbindet zwei Parks, ist obendrein selbst einer und idealer Ort für Familienfotos vor der Kulisse des Elburs-Gebirges.

Verlässt man Teheran, finden sich Gärten, die keine Straßen brauchen, um Oasen zu sein. Der Bāgh-e Shāhzādeh (Prinzengarten) in Mahan, nahe der Wüstenstadt Kerman im Südosten des Landes, liegt wie eine Fata Morgana im vegetationslosen Staub. 1850 angelegt, nutzt der von einer Mauer geschützte Park einen Bergbach als Lebensader, der sich in breiten Terrassen abwärts ergießt. In den vier Gartenhöfen des Schah-Nematollah-Schreins findet sich eine kleine Inschrift über der Tür, die die Essenz iranischer Parks zusammenfasst: "Hier bist du sicher."

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Der Nahjul Balagha-Park in Teheran

Die Krone der persischen Gartenkunst teilen sich aber die Städte Isfahan und Schiras. Schiras verfügt über prachtvolle Parks wie den fast 1.000 Jahre alten Bāgh-e Eram oder den Afif-Ābād-Garten, beides von Wasserläufen durchzogene, üppige Palastanlagen. Man kann sich ohne Mühe vorstellen, wie der Dichter Hafis hier seine Oden an Liebe, Lebensfreude und den guten Tropfen Wein verfasste – auch wenn man sich heute selbst auf alkoholfreies Dosenbier mit Multivitamingeschmack beschränken muss.

Mehr noch als Schiras ist Isfahan eine Oase an sich. Hier hüllen sich sogar die Straßen in üppiges Grün, und Parks von perfekt proportionierter Schönheit wie jene der Hasht-Behesht- und Chehel-Sotoun-Paläste sind Teil des grünen Ganzen. Denn Isfahans Lebensader ist kein kleiner Bach, sondern der breite Fluss Zeyanderud, der nach Jahren fast kompletter Trockenheit momentan wieder üppig Wasser führt. Eine Tatsache, die die Isfahaner 24 Stunden am Tag feiern. Noch um Mitternacht nutzen wahre Menschenmassen die Khaju-Brücke über den Fluss – fürs Familienpicknick bis hin zum diskreten Spaziergang zu zweit. (Maik Novotny, Rondo, 12.6.2015)