60 Meter hohe Beispielwirkung: Am Science Tower der Smart City Graz wird schon gebaut. Die letzten drei Stockwerke sind Garten.

Visualisierung: Pernthaler

Unterirdische Müllentsorgung mittels Rohrpostsystems. Fahrerlose Busse, die, wie von Geisterhand gesteuert, geräuschlos um die Ecke biegen. Hausfassaden, die bis zur Attika in ein blau-schwarzes Kleid aus Fotovoltaik und Sonnenkollektoren gehüllt sind. Die Bilder von Songdo in Südkorea und Masdar in Abu Dhabi haben sich eingeprägt. Doch während sich die internationalen Smart Cities als Hightech-Nabelschauen verstehen, wird der Smart-City-Begriff in Österreich etwas softer, etwas sozialer definiert. So geschehen vergangenen Mittwoch im Rahmen der Außenwirtschaftskonferenz "Building smart for smarter Cities" in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

"Die meisten glauben, dass eine Smart City nur mit Technologie zu haben ist", sagte Christoph Achammer, CEO von ATP Architekten und Ingenieure sowie Professor für Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung an der TU Wien. "Aber das ist zu wenig. Technologie ist ein gutes Werkzeug. In erster Linie jedoch geht es darum, smartes Bauen als Netzwerkarbeit zu verstehen und die Kommunikation im Bauprozess zu vereinfachen."

Grüne Stadt mit Charakter

Eines der Steckenpferde Achammers ist das sogenannte Building-Information-Modeling (BIM), also die Neudefinition des Planungsprozesses - weg von Plänen, Texten und Ausschreibungslisten, hin zu einem dreidimensional aufgebauten virtuellen Modell des Gebäudes. "Der Planungsprozess, wie wir ihn bislang kannten, ist ein System mit vielen Schnittstellen und unendlich vielen Fehlerquellen", so der ATP-Chef. "Mittels BIM wird es möglich sein, dass alle eine einheitliche Sprache sprechen. Damit kann dann endlich auch der Betrieb des Gebäudes inklusive Facility-Management bis hin zum Abbruch des Bauwerks in der Planung und Kostenkalkulation mitberücksichtigt werden."

Eine smart geplante Stadt, darin waren sich die Diskutanten der WKÖ-Konferenz einig, sei ein Lebensraum mit hoher Lebensqualität, mit viel Grün, mit kurzen Wegen sowie mit einem intelligenten, emotional berührenden und irgendwo auch menschelnden Charakter. "Bis heute denken wir Architektur und Haustechnik als ein hartes, mathematisch und physikalisch klar definiertes Konstrukt", meinte etwa Wolfgang Rieder, der Geschäftsführer und Eigentümer des Salzburger Unternehmens Rieder Smart Elements GmbH. "Mein großes Vorbild in der Planung ist der Mensch. Der Körper unterscheidet nicht zwischen Heizen und Kühlen, sondern passt sich den Gegebenheiten an. Vielleicht wird es eines Tages gelingen, Gebäude und Städte als weiche, flexible Organismen zu denken. Das wäre für mich der Inbegriff von Resilienz."

Leuchtturm für Graz

Einen zumindest kleinen Schritt in diese Utopie macht das Smart-City-Projekt im Hinterland des Grazer Hauptbahnhofs. Auf 477 Hektar Fläche soll ein Stück Vorzeigestadt mit Extranet, Geothermie, Solargewinnung und eigenem, mit Biomethan betriebenem Blockheizkraftwerk entstehen. Eines der Leuchtturmprojekte im neuen Grätzel ist der 60 Meter hohe Science Tower von Architekt Markus Pernthaler. Die Vision wird ernst genommen. Die letzten drei Stockwerke des mit PV verkleideten Turms sind der Natur in Form eines Dachgartens vorbehalten. Vor einem Monat war Spatenstich.

"Die größte Chance dieser Smart City ist ihre Beispielwirkung und damit verbunden der potenzielle Multiplikatoreffekt", sagt Pernthaler im Gespräch mit dem Standard. Die Fertigstellung der ersten Tranche der Häuser - darunter Wohnbauten, Bürogebäude, Schulcampus und Heizkraftwerk - ist für 2018 bis 2020 angepeilt. Für einen Teil des Bauvolumens, 250 Millionen Euro, wurden bereits Investoren gefunden.

Gebaute Beispiele nötig

"Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, 80 bis 90 Prozent des Forschungsprojekts, das dem Bauprojekt Smart City vorausgegangen war, in die Realität umzusetzen", sagt der Architekt, der an der Entwicklung des Stadtviertels maßgeblich beteiligt war und bislang mehr als 680 Besprechungen dokumentiert hat. Smartness kostet. Bald wird man es genau wissen. Nach Fertigstellung soll das Projekt evaluiert werden und als Grundlage für internationale Nachahmer dienen.

Es braucht dringend gebaute Beispiele, denn der Appell der Vortragenden und Diskutanten, smartes Bauen als Netzwerk und Kommunikationskultur zu verstehen, schien im zum Bersten gefüllten Konferenzsaal der WKÖ zu verpuffen. Die Fragen aus dem Publikum, das sich großteils aus Planern, Produzenten und Wirtschaftsdelegierten aus dem CEE- und SEE-Raum zusammensetzte, bezogen sich zum überwiegenden Teil auf Euro, Prozent und Kilowattstunden.

Smartness? Ein Lernprozess. Noch viele Lektionen stehen uns bevor. (Wojciech Czaja, 13.6.2015)