Le Mans - Es war die gewaltige Geräuschkulisse und sicherlich auch die mangelnde Vorbereitung des Reporters, die diesen drei Mal nachfragen ließ und die Laune des Teamchefs in den Keller beförderte. "Neun? Nein? Neunzehn? Nein? Neunundzwanzig? Aha." Das österreichische Team Bykolles hatte beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans zwar die verheißungsvolle Startnummer 4, stand in der Startaufstellung am Samstagnachmittag aber auf Platz 29, was nicht unbedingt den Erwartungen entsprach. Colin Kolles, Teamchef des besagten Teams, saß schlecht gelaunt in der Box und grantelte vor sich hin. (Österreichisch an diesem Team sind der Sponsor und der Zweitwohnsitz des Teamchefs.)
An sich war es in Le Mans nicht von Belang, ob das Team Bykolles von Platz neun, neunzehn und neunundzwanzig startete, weil sich alles auf den Kampf an der Spitze konzentrierte, und da war klar, dass das private Team aus Österreich keine Rolle spielen würde. Es ging darum: Konnte das Werksteam von Porsche mit seinen drei Hybrid-Rennwägen den allgemeinen Erwartungen standhalten und gewinnen? Irgendwie rechneten alle damit. Oder konnte Audi sein Schwesterteam noch einmal abwehren und einen 14. Sieg einfahren? Konnte Toyota mithalten? Dass Nissan nicht mithalten würde können, war von vornherein klar.
Augen auf dem Chefarzt
Porsche hatte das Training dominiert und fuhr im Rennen erst einmal vorne weg. Die Audis erwiesen sich als überraschend schnell, ließen sich nicht abhängen. André Lotterer fuhr im Audi mit der Nummer 7 die schnellste Runde. Der Österreicher Alexander Wurz eröffnete im Toyota-Werksauto das 24-Stunden-Rennen und fuhr keine beste Runde. Der Topspeed fehlte, zudem gab es Bremsprobleme. Die beiden Toyota-Werksautos fuhren zwar mit, aber eben nur mit, nie nach vorne.
Das Team Bykolles lag am Abend auf Platz 50, was bei 55 teilnehmenden Teams nicht toll war. Kolles, der sich gerne als Dr. Kolles ansprechen lässt, weil er im Nebenberuf Arzt ist, schwieg. Bei einer anderen Box war mehr los, neugierige Menschen, mehr Frauen, standen draußen und versuchten einen Blick zu erhaschen. Auf ihn nämlich. Auf Patrick Dempsey. Auch ein Arzt, aber nicht wie Dr. Kolles in Ingolstadt, sondern in Hollywood, Chefarzt in der Serie Grey‘s Anatomy. Trotz aller Vorurteile, die man einem feschen Schauspieler, Oberarzt und Frauenhelden entgegenbringen kann: Dempsey fuhr gut. In seinem Porsche 911 RSR jedenfalls schneller als die Piloten von Kolles.
Pech gegen Ende
Die Nacht über hieß es Porscheaudiporscheaudiporscheaudi oder auch umgekehrt, aber nach zwölf Stunden lag Porsche voran, und als die Sonne aufging, konnte Nico Hulkenberg im Porsche doch eine Runde zwischen sich und den nächsten Audi bringen. Am Ende lagen zwei Porsches voran, Hülkenberg/Bamber/Tandy vor Bernhard/Webber/Hartley, Audi mit Fässler/Lotterer/Tréluyer wurde ehrenvoller Dritter. Der Siegerwagen hatte 395 Runden zurückgelegt.
Die Österreicher: Alex Wurz im Toyota kam auf Platz 6, Dominik Kraihamer im Rebellion auf 18. Mathias Lauda im Aston Martin Vantage hatte unglaubliches Pech, er stand vor dem Klassensieg in der kleinen GTE-Wertung, als sein Teamkollege den Wagen 45 Minuten vor Schluss in die Wand lenkte. Richard Lietz kam im Porsche 911RSR auf Platz 30.
Das Duell der Ärzte konnte übrigens Dempsey für sich entscheiden, sein Team kam auf Platz 22, das von Kolles auf 39. Dempsey weinte vor Glück, Kolles nicht. (Michael Völker, 14.6.2015)
ERGEBNIS: 24 Stunden von Le Mans