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Manchmal gerate er in seiner Funktion als Vizepremier und Finanzminister in einen Konflikt mit seinen Interessen als Unternehmer, räumt Andrej Babiš im Interview ein. Dann gebe er dies in der Regierung bekannt und enthalte sich im Ministerrat der Stimme.

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STANDARD: Genau vor zwei Jahren blickte ganz Europa nach Prag, wo im Zusammenhang mit Korruptions- und Bespitzelungsvorwürfen eine Razzia im Regierungsamt stattfand. Bei den folgenden Neuwahlen erreichten Sie mit Ihrer Protestbewegung Ano auf Anhieb Platz zwei. Welche Rolle spielt Ano im Parteienspektrum heute?

Babiš: Ich bin überzeugt, dass wir ein Stabilitätsfaktor sind. Nach den Wahlen haben wir eine Koalition der Sozialdemokraten mit den Kommunisten verhindert. Nun kämpfen wir gegen die Korruption, und wir verhindern Steuererhöhungen, die die Sozialdemokraten als stärkste Regierungspartei durchsetzen wollen. Wir erfüllen unsere Wahlversprechen und den Koalitionsvertrag, und keine der Regierungsparteien droht ständig mit dem Platzen der Koalition, wie das früher fast jede zweite Woche der Fall war.

STANDARD: Erfolgreiche neue Parteien, die nicht im traditionellen politischen Spektrum verankert sind, gibt es auch in anderen europäischen Ländern. Woran liegt das?

Babiš: Die traditionelle Politik ist inhaltsleer geworden. In Tschechien etwa haben rechte Regierungen die Steuern erhöht, linke Regierungen haben Banken und Staatsbetriebe privatisiert. Wie sollen sich die Wähler da noch orientieren? Da wählen sie lieber jemanden, der bereits etwas erreicht hat, zum Beispiel als erfolgreicher Unternehmer.

STANDARD: Ihre Partei führt in den meisten Umfragen, Sie selbst sind einer der beliebtesten Politiker des Landes. Gleichzeitig aber glauben 52 Prozent der Tschechen, dass Sie wegen Ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten in einem Interessenkonflikt stehen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Babiš: Sie zitieren eine ziemlich unsinnige Umfrage des tschechischen Fernsehens. Das hängt doch alles von der Fragestellung ab. Außerdem: Ja, ich gerate manchmal in einen Interessenkonflikt, aber ich nutze das nicht aus. Ich gebe das in der Regierung immer bekannt und enthalte mich dann der Stimme. Manchmal bete ich sogar, dass eine meiner Firmen irgendeinen Auftrag nicht bekommt, denn sonst lese ich in den Medien wieder eine Woche lang, dass ich es mir irgendwie gerichtet habe. Warum um Gottes willen sollte ich das tun? Damit ich endlich Geld verdiene?

STANDARD: Warum sind Sie in die Politik gegangen?

Babiš: Vor vier Jahren habe ich laut gesagt, was in unserem Staat nicht funktioniert, und ich spürte - und spüre immer noch - die starke Unterstützung der Menschen. Also kämpfe ich. Mit mir selbst, mit der Bürokratie, mit den Koalitionspartnern, mit der Opposition. Ich lüge nicht, ich stehle nicht, und ich arbeite für die Menschen.

STANDARD: Wie stehen Sie zur Einführung des Euro in Tschechien?

Babiš: Diese Regierung wird den Euro sicher nicht einführen und auch keinen verbindlichen Termin nennen. Vor ein paar Wochen habe ich angeregt, dass wir über den Euro ein Referendum abhalten könnten. Jedenfalls gibt es keinen Grund zur Eile. Derzeit haben wir das Problem mit Griechenland, mit dem wir nicht zurechtkommen. Mit der tschechischen Krone hingegen kommen wir bis jetzt gut zurecht. Der Euro hat natürlich auch positive Seiten, aber derzeit überwiegen für uns die negativen.

STANDARD: In Tschechien gibt es erneut Diskussionen um die Ausweitung der Kernenergie. Dabei hat erst voriges Jahr die Betreiberfirma CEZ eine Ausschreibung zum Bau neuer Reaktorblöcke gestoppt, weil der Staat keine Abnahmepreise für den Strom garantieren wollte. Gibt es da also neue Entwicklungen?

Babiš: Der Staat sollte keine Preisgarantien abgeben, dazu ist der Markt da. Diese Forderung von CEZ war unsinnig, und es war gut, dass die Regierung nicht darauf eingegangen ist. Grundsätzlich aber unterstützen wir den Bau neuer Reaktoren in Temelín und Dukovany. In der Energiepolitik gehen wir einen ähnlichen Weg wie Frankreich. Wir haben kaum andere Quellen außer Kohle, deren Abbau die Landschaft zerstört und die beim Verbrennen problematisch ist.

STANDARD: Sie haben in Göttweig eine Rede zu Europa gehalten. Welche Bedeutung hat für Sie die EU, und welche Rolle sollte Tschechien in ihr spielen?

Babiš: Ich bin froh, dass unsere Regierung und auch Präsident Zeman klare proeuropäische Ansichten haben. Wir sind keine Querulanten, wir versuchen, Partner zu sein. Europa ist nur stark, wenn es nach außen mit einer Stimme spricht. Derzeit aber kommen aus einigen Staaten Stimmen, die zum Beispiel im Schengenraum wieder Grenzen schließen wollen. Für Europa wäre das eine Niederlage. (Gerald Schubert, 15.6.2015)