Was geschieht, wenn es bis Ende Juni zu keiner Einigung mit Griechenland kommt und das Land auch formell seine Schulden nicht mehr bedient? Den genauen Ablauf der darauf folgenden Ereignisse kann niemand voraussagen, weil es in der Eurozone noch keinen Staatsbankrott gegeben hat. Aber drei grundsätzliche Szenarien sind möglich: der harte Grexit, der weiche Grexit und ein Bankrott, bei dem Griechenland Vollmitglied in der Eurozone bleibt.

Zuerst die letztgenannte Möglichkeit: Die entspricht den Regeln, die bei Gründung der Währungsunion eigentlich vorgesehen waren. Aufgrund der "No-Bailout Clause" sollte jedes Land für seine eigenen Schulden verantwortlich sein. Wird es zahlungsunfähig, sollte dies die Gläubiger treffen, aber keine Folgen für die Eurozone haben.

Erste Option: Kapitalabfluss und Bankenkollaps

Doch die Realität sieht anders aus. Ein Staatsbankrott würde den ohnehin schon laufenden Kapitalabfluss aus Griechenland weiter beschleunigen, die Banken würden ihre Einlagen verlieren und selbst insolvent werden. Bisher hat die Europäische Zentralbank die Banken vor dem Kollaps gerettet. Doch wenn Griechenland zahlungsunfähig ist, kann sie das nicht mehr tun.

Dann müsste der griechische Staat einspringen, doch der hat dann selbst keinen Zugang zu neuen Krediten mehr. Die Bankenkrise würde die Wirtschaftskrise verschärfen. Die Regierung müsste entweder in Eile neue Einnahmen generieren – durch massive Steuererhöhungen oder gar Enteignungen von Privatvermögen – oder die Ausgaben dramatisch senken: das Gegenteil von dem, was sie versprochen hat.

Was immer sie tut: Die ohnehin schon desaströse Wirtschafts- und Soziallage würde endgültig in den Abgrund stürzen, ohne einen sichtbaren Weg zur Besserung.

Zweite Option: Strikte Kapitalkontrollen

Viel lässt sich verhindern, wenn Griechenland wie Zypern Kapitalkontrollen einführt. Das hätte gleich am Anfang passieren sollen, bevor die Gelder abgeflossen sind, und könnte nun diese Woche kommen, wenn die EZB die Bankenfinanzierung beschränkt.

Kapitalkontrollen bedeuten, dass Gelder nur mehr mit Bewilligung ins Ausland überwiesen und Bargeld nur noch in beschränkten Mengen abgehoben werden kann. Dies ist bereits der erste Schritt zum Grexit: Ein griechischer Euro ist nicht mehr mit nichtgriechischen Euro auswechselbar und theoretisch weniger wert.

Zypern lebt schon länger mit diesen Beschränkungen und hat sich damit abgefunden. Aber im Falle Griechenlands wären sie wahrscheinlich noch viel schärfer, weil die Angst vor einem echten Euro-Austritt massiven Druck auf Kapitalabflüsse auslöst.

Schritt zur Parallelwährung

Anders als Zypern wäre die griechische Regierung von neuen Krediten abgeschnitten. Sie wäre bald gezwungen, auch inländische Zahlungen einzustellen – oder dies in Form von Schuldscheinen zu tun. Diese könnte dann gehandelt werden und wären gleich weniger wert als der nominale Eurobetrag, der auf ihnen steht. Allerdings müsste der Staat sie selbst wieder akzeptieren, etwa für Steuerzahlungen.

Das wäre ein großer Schritt in Richtung Parallelwährung, die den Euro allmählich verdrängen würde – ein weicher Grexit, der zwar viele Turbulenzen hervorrufen würde, aber der Regierung weiterhin ermöglicht, wichtige Leistungen zu finanzieren.

Dritte Option: Austritt aus dem Euro

Die dritte Option ist der harte Exit: Athen würde über Nacht die Banken schließen, den einseitigen Euro-Austritt verkünden und eine neue Währung einführen. Euro-Banknoten würden vorerst abgestempelt oder beschnitten werden, bevor die Banken sie ausgeben dürfen. Einige Tage oder Wochen wäre das Land ohne ausreichendes Bargeld - wie Argentinien 2002.

Das Chaos wäre zunächst perfekt. Aber bald könnte die griechische Notenbank neues Geld drucken, die Banken finanzieren und Kredite an die Regierung vergeben, die damit ihre Ausgaben deckt. Die Währung würde gegenüber dem Euro dramatisch fallen, und die inländischen Preise würden rasch steigen. Aber insgesamt wäre Griechenland plötzlich für Touristen oder Produzenten deutlich billiger. Und das würde längerfristig neue Chancen eröffnen.

Lieber ein Ende mit Schrecken

Von den drei Optionen ist die erste eindeutig die schlechteste – und wird dadurch sehr unwahrscheinlich. Ob sich Griechenland zwischen dem weichen und dem harten Grexit entscheidet, ist offen. Aber gefühlsmäßig wäre ein Ende mit Schrecken besser als der Versuch, das griechische Euro-Elend – und damit auch die Unsicherheit – weiter um Monate und Jahre zu verlängern.

Deshalb sind, wenn es zu keiner raschen politischen Einigung über ein neues Hilfspaket kommt, die Tage Griechenlands im Euro wohl gezählt. (Eric Frey, 15.6.2015)