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Keine Seltenheit am Bau: Geschäftsführer melden Mitarbeiter an, kassieren für Aufträge, tauchen dann aber unter.

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Wien – Finanz und Krankenkassen klagen seit Jahren über sie: Scheinfirmen, die nie vorhatten, Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Ihnen auf die Schliche zu kommen, ist oft nicht leicht.

Ein neues Gesetz gegen Sozialbetrug, das am Dienstag gemeinsam mit der Steuerreform vom Ministerrat beschlossen wurde, sieht nun massive Verschärfungen vor und nimmt die Auftraggeber der Scheinfirmen stärker in die Pflicht. Aus rechtsstaatlicher Sicht wird die Novelle von einigen Experten durchaus kritisch betrachtet.

Knappe Fristen

Wie sieht das ab Jänner 2016 geplante Prozedere aus? Hegen die Behörden den Verdacht, es könnte sich um eine Scheinfirma handeln, wird das dem Unternehmen mitgeteilt. Es reicht eine elektronische Übermittlung ohne Zustellnachweis. Die Fristen sind dann äußerst knapp: Wer nicht binnen einer Woche persönlich bei der Behörde erscheint und den Vorwürfen widerspricht, bekommt einen Bescheid, dass er als Scheinunternehmer eingestuft wurde.

Das Finanzministerium veröffentlicht in der Folge Namen, Firmenbuchnummer und die Adresse im Internet. Nur wenn rechtzeitig ein Einspruch erhoben wird, wird in einem Ermittlungsverfahren überprüft, ob der Scheinfirmenverdacht zu Recht besteht.

Ende des Versicherungsschutzes droht

Sobald ein Bescheid ausgestellt wurde, kann das Unternehmen kein neues Personal mehr anmelden. Die bestehenden Mitarbeiter werden von der Gebietskrankenkasse vorgeladen und sind zur Mitwirkung verpflichtet. Erscheint man nicht binnen sechs Wochen, erlischt der Versicherungsschutz.

Wer Aufträge an Subfirmen vergibt, sollte sich diese künftig genau anschauen. Wenn der Auftraggeber nämlich "wusste oder wissen musste", dass er es mit einer Scheinfirma zu tun hatte, haftet er für alle Lohn- und Sozialabgaben der Subfirma. Wann diese Voraussetzungen vorliegen – es geht um grobe Fahrlässigkeit – dürfte in der Praxis nicht immer eindeutig sein, Prozesse scheinen also programmiert. Auf alle Fälle grob fahrlässig wäre es laut den Erläuterungen zum Gesetz, wenn jemand beauftragt wird, der sich auf der erwähnten Scheinfirmenliste des Finanzministeriums befindet.

"Wahnsinn"

Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KWT) übt massive Kritik an den Verschärfungen. Es sei unzumutbar, dass Auftraggeber jeden Tag kontrollieren müssten, ob sich ein möglicher Geschäftspartner auf der schwarzen Liste der Finanz befinde. Die kurzen Fristen seien ein "Wahnsinn" und ein "bewusstes Entziehen des Rechtsschutzes", sagte KWT-Experte Johann Mitterer zum STANDARD. Auch Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker teilt die Bedenken: "Unternehmen werden unter Generalverdacht gestellt."

Die Wirtschaftskammer trägt den Vorschlag von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) allerdings mit. Vor allem die heimischen Bauunternehmer leiden unter der unlauteren Konkurrenz und haben sich daher mit den Verschärfungen abgefunden. Wichtig sei vor allem gewesen, dass man eine verschuldensunabhängige Auftraggeberhaftung abgewendet habe, heißt es. (Günther Oswald, 18.6.2015)