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Klingt gut: Neil Young reibt sich am Chemiekonzern Monsanto.

Foto: AP/Mark Davis

Wien – Die Unke brachte sich bereits in Stellung, doch ihr Ruf ertönte doch nicht. Am Freitag erscheint Neil Youngs Album The Monsanto Years. Darauf greift der 69-jährige Kanadier den Konzern Monsanto an. Aber es kann Entwarnung gegeben werden, das Album ist richtig gut. Dabei bekreuzigen sich selbst ergebene Jünger der Kirche von Neil Young, wenn der Alte politisch motivierten Sodbrand bekommt. Da wird er mitunter kurzsichtig, da hielt er schon einmal Ronald Reagan für einen Heilsbringer.

Erst im Vorjahr veröffentlichte er das um den Planeten besorgte Album Storytone und damit möglicherweise das schlechteste seiner Karriere. Andererseits klangen zornige Alben wie Livin' With War während der George-W.-Bush-Ära recht erfrischend.

Jetzt reibt er sich also an Monsanto. Der 1901 im US-Bundesstaat Missouri gegründete Betrieb gilt als der führende Konzern bei der Herstellung gentechnisch veränderten Saatguts und von Herbiziden. Über 700 Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen soll Monsanto besitzen.

Die industrielle Herstellung von Giften schlägt sich in der Firmenchronik in zahllosen Tragödien und Klagen nieder. Monsanto war etwa Hersteller von Agent Orange, einem Entlaubungsgift, das das US-Militär im Vietnamkrieg eingesetzt hatte, was dem Konzern später eine Sammelklage von Veteranen eingebracht hat. Gegner werfen ihm eine aggressive Expansionspolitik, politische Einflussnahme und ökonomische Geiselnahme von US-Farmern vor, halten ihn für das Böse schlechthin.

Neil Young teilt diese Sichtweise. Im selben Atemzug, mit dem er über "fascist politics and chemical people" singt, bekommen Starbucks, Walmart und Chevron ihr Fett ab. Ihr Einfluss auf Politik und die ihnen zugestandenen Privilegien sind Young ein Dorn im Hippiefleisch. Immerhin reicht seine Reputation aus, um, mit Ausnahme von Chevron, allen angegriffenen Firmen Stellungnahmen abzuringen. Monsanto zeigte sich in einer Aussendung menschlich enttäuscht, gäbe es doch unter seinen Mitarbeitern viele Neil-Young-Fans. Es herrsche großes Missverständnis bezüglich seines Tuns, und diese fänden nun Eingang in Neil Youngs Musik.

Seit neuestem wirbt der Konzern tatsächlich mit Nachhaltigkeit. Zu seinen neuen Plänen gehört, mithilfe von in den Boden eingebrachten Bakterien den Einsatz von Pestiziden zu minimieren. "Jahrzehntelang ist Monsanto mit dem Raubbau in der Landwirtschaft gewachsen. Nun will der Konzern auch am Kampf dagegen verdienen", schrieb dazu Die Zeit.

Für seinen Kampf spannte Young Lukas Nelson und dessen Band Promise of the Real vor sein Ökomobil. Lukas ist der Sohn des Countrysängers Willie Nelson, einem Haberer Youngs. Spätestens seit der ersten Benefizveranstaltung Farm Aid (1985) gelten Young und Nelson als Unterstützer der US-Landwirtschaft.

Zorn und Blutdruck

Mit Lukas' Band spielt Young verhatschten Countryrock im Geiste von Crazy Horse, seiner Stammband. Das Album eröffnet hippiesk mit It's A New Day For Love und verkrümmt sich anschließend in der herrlich wimmernden Ballade Wolf Moon.

In traditioneller Offenherzigkeit schaltet er in People Want To Hear About Love einen Gang höher, und wenn man sich stellenweise sogar an Meisterwerke wie Ragged Glory erinnert fühlt, liegt das an Stücken wie dem dröhnenden Big Box, in dem Young die Demokratie von Industrie und Politik zerstört sieht. Workin' Man punktet mit filigranem Mandolinenspiel hinter den Gitarrenwänden, das fröhlich gepfiffene A Rock Star Bucks A Coffee Shop mit geschliffen formulierten Zeilen.

Dass dem alten Kämpfer mit vor Zorn in die Höhe getriebenem Blutdruck mitunter die Stimme frühzeitig bricht, sieht man ihm da gerne nach. (Karl Fluch, 25.6.2015)