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Nur mehr im Waldviertel und in einsamen Bergregionen, also da, wo es keinen Handyempfang gibt, entkommt man hierzulande den riesigen Speichern, die Behörden, aber womöglich auch der eigene Arbeitgeber, diverse Geheimdienste und wissbegierige Datenhändler über uns angelegt haben.

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Von morgens bis abends gibt der moderne Bürger an einem stinknormalen Tag "tausende digitale Einblicke" in seine Privatsphäre, erklärt Datenexperte Andreas Krisch

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Die ersten Datenspuren hinterlassen die meisten schon vor dem Frühstück, wenn sie am Smartphone die Nachrichten "checken" – und ihre Befindlichkeiten beim Kaffeehäferl womöglich auch noch auf Facebook "sharen". Von morgens bis abends gibt der moderne Bürger an einem stinknormalen Tag "tausende digitale Einblicke" in seine Privatsphäre, erklärt Andreas Krisch (45), Wirtschaftsinformatiker und Facebook-Verweigerer.

Der Mann muss es wissen. Er ist von den Grünen entsandter, aber unabhängiger Experte im Datenschutzrat, seine Initiative "AK Vorrat" hat mit erfolgreichen Klagen das heimische Gesetz sowie die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Nur mehr im Waldviertel und in einsamen Bergregionen, also da, wo es keinen Handyempfang gibt, entkommt man hierzulande den riesigen Speichern, die Behörden, aber womöglich auch der eigene Arbeitgeber, diverse Geheimdienste und wissbegierige Datenhändler über uns angelegt haben.

Wildwuchs an Kameras

Wer in der Bundeshauptstadt seinen Weg mit den Öffis antritt, über den wachen allein hier rund 6000 Kameraaugen. Bis zu 72 Stunden darf das Mitgefilmte nach dem Datenschutzgesetz gespeichert werden, bei einem Verbrechen in Bim, Bus oder U-Bahn das Material aber nur von wenigen, genau definierten Personen eingesehen werden.

Doch längst halten auch viele Einzelhandelsgeschäfte, die Sie betreten, draußen wie drinnen das Geschehen fest. Krisch spricht deshalb von einem "Wildwuchs an Kameras" in den letzten Jahren.

Viele große Firmen setzen bei ihrem Schutz zudem auf elektronische Zutrittskontrollsysteme, sodass für sie theoretisch auch jedes Kommen und Gehen der Mitarbeiter auf die Minute genau nachvollziehbar wäre. Allerdings müssten sich diese Arbeitgeber bei derartigen Protokollen ins Datenverarbeitungsregister eintragen lassen, denn: Wer gegen diese Meldepflicht verstößt, für den werden bis zu 10.000 Euro fällig. Nur rund 15 bis 20 Prozent der Unternehmer, schätzt Krisch, machen aber zu derartigen Aufzeichnungen korrekte Angaben.

Transparent wie Postkarten

Zu den Betriebsvereinbarungspflichten gehört es wiederum, alle Beschäftigten über gestattete und unerwünschte Benutzung von Telefon, Internet, E-Mail am Arbeitsplatz aufzuklären. Vor allem in kleineren Betrieben, meint der Experte, ist bei Auffälligkeiten eines Mitarbeiters rasch dessen Account geknackt – "eine E-Mail ist damit so transparent wie jede Postkarte". Dasselbe gilt freilich für das tagtägliche Surfverhalten.

Wer uns aber ständig ausspäht, wenn wir uns im World Wide Web herumtreiben, sind jene, die rege mit Daten handeln. Sie registrieren alles, was wir jemals an Persönlichem auf Amazon, Ebay & Co preisgegeben haben. Das führt auch dazu, dass wir beim Ansurfen diverser Webseiten gleich die für uns passende Werbung für Bücher, Kleidung, Flüge mitserviert bekommen. Eine Studie des US-Senats aus dem Jahr 2013 kam zu dem Schluss, dass die "Data Broker" mittlerweile von rund 700 Millionen Konsumenten "75.000 Attribute pro Nase" angesammelt haben, wie es Krisch ausdrückt.

Nicht jedem gefällt das

Allein was Facebook-Fans alles "liken", lässt untrügliche Rückschlüsse über ihre persönlichen Vorlieben, ihre politische Einstellung und ihre sexuelle Orientierung zu. "Das Problem ist, dass man dabei rasch in eine Schublade gesteckt werden kann, wenn diese Daten an Falsche geraten", sagt der Fachmann.

Eine Befragung unter 60.000 Freiwilligen auf der sozialen Plattform ergab, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellen könne, ob die Eltern eines Users bis zu dessen 21. Geburtstag noch ein Paar waren. Die dahintersteckende These, die untermauert worden sein soll: dass Scheidungskinder wegen ihres höheren Harmoniebedürfnisses häufiger den "Gefällt mir"-Button drücken als andere.

Eine Frage der richtigen Straßenseite

Auch die angeblich so vielen Vorteile verschaffende Kundenkarten bei Lebensmittel-, Bau- und Drogeriemärkten, die nach Dienstschluss gern angesteuert werden, eignen sich hervorragend als Speicherkarte für das Kundenverhalten. Wohl am längsten haben bisher aber die Banken all unsere Daten und Transaktionen parat – bis zu dreißig Jahre beträgt die für sie erlaubte Speicherfrist. Krisch: "Und wer in Wien auf der falschen Seite des Gürtels wohnt, hat wegen seiner Adresse mitunter keine Chance auf einen Kredit." (Nina Weißensteiner, 27.6.2015)