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Touristen mit ausländischen Bankkarten haben in Griechenland keine Beschränkungen beim Geldbeheben.

AP / Daniel Ochoa de Olza

Mexiko tat es, Thailand, Island, Zypern und viele andere Länder wählten den Schritt ebenfalls: Kapitalverkehrskontrollen, mit denen Griechenland den Geldabfluss verhindern will, gelten als hilfreiche Notmaßnahmen in Krisenzeiten, bergen aber auch Gefahren. "Wenn man ungeschickt verfährt, kann man die Wirtschaft zum Absturz bringen", sagte Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies dem STANDARD.

Als kritisch gilt dabei u. a. die reibungslose Versorgung eines Landes mit Importprodukten, die für Konsumenten notwendig und für Verarbeiter existenziell ist. Gerade die griechische Wirtschaft hängt stark von Einfuhren ab. Laut Kreditversicherer Euler Hermes gelte das insbesondere für Metalle, Chemikalien und Elektronik. Aber auch der Bezug von Motoren, Textilien oder Pharmazeutika könnte beeinträchtigt werden. Athen hat die Zahlungen für Importe auf die Liste der genehmigungspflichtigen Transaktionen gesetzt. Selbst wenn es in der Regel zur Freigabe der Überweisungen kommen sollte, würde der behördliche Aufwand den Lieferfluss empfindlich stören, meint ein im Griechenland-Handel tätiger Unternehmer.

Diese Einschätzung teilt Michael Waibel, Dozent für Völkerrecht an der Universität Cambridge. Für bestehende Lieferverträge oder neue Abschlüsse könnte das Risiko des Zahlungsverzugs oder -ausfalls zu groß werden. Möglicherweise bestünden Geschäftspartner im Ausland auf Vorauskasse, wodurch der Handel weiter beeinträchtigt würde.

Es gibt aber noch andere Aspekte, die trotz Verkehrskontrollen einen Stopp der Kapitalflucht vereiteln können. Ein eher simpler Punkt: Die Leute verbringen ihr Geld im Kofferraum oder in der Handtasche ins Ausland. Das könnte angesichts der kaum kontrollierbaren langen Außengrenze des Landes der Fall sein. Allerdings lässt sich der Umfang solcher Bargeldtransporte nicht eruieren. Einige Experten meinen hingegen, dass die meisten Griechen ihr Erspartes ohnehin längst ins Ausland verfrachtet hätten.

Beispiel Island

Was funktioniert und was nicht, hat der Internationale Währungsfonds vergangenes Jahr in einer umfassenden Untersuchung von 37 Fällen von 1995 bis 2010 herausgearbeitet. Island wird darin als Positivbeispiel genannt: Kapitalverkehrskontrollen stabilisierten das erste Opfer der Finanzkrise. In Island kam es rasch zu einer Beruhigung der Lage, die Krone beendete ihre Talfahrt, und im Zusammenspiel mit einer Lockerung der Geldpolitik kam die Wirtschaft wieder in Schwung. Zypern konnte als Euroland nicht abwerten, schlüpfte 2013 unter den Eurorettungsschirm und führte Kapitalverkehrskontrollen (300 Euro Abhebung pro Tag) ein, die heuer im April ausliefen. Das Land hat schon wieder länger laufende Anleihen mit einer Verzinsung von vier Prozent begeben, jene Griechenlands liegt seit Monaten über zehn Prozent und stieg am Montag auf rund 14,5 Prozent.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Zypern und Griechenland: Während Nikosia ein Programm mit den Geldgebern vereinbarte, hängt Athen diesbezüglich in der Luft. Anders ausgedrückt: Kapitalverkehrskontrollen können zwar den Finanzsektor vor einem Kollaps schützen, lösen aber das grundsätzliche Problem fehlender Einnahmen und anstehender Ausgaben nicht. Daher seien sie im Falle Athens nutzlos, sagte der frühere Chef der zypriotischen Notenbank und heutige MIT-Professor, Athanasios Orphanides, gegenüber der Finanzagentur Bloomberg. Entweder werde Griechenland aus der Eurozone geschmissen, oder die Geldgeber stützten das Land.

Wie Simbabwe

Gros sagte hingegen, Kapitalverkehrskontrollen hätten den Vorteil, dass die Regierung von Alexis Tsipras nun selbst entscheiden müsse, wie sie die laufenden Ausgaben finanziere. Dazu zählt auch die IWF-Tranche über gut 1,5 Milliarden Euro, die heute, Dienstag, fällig wird. Montagabend hieß es in Athen, dass das Geld nicht überwiesen werde. Einen Zahlungsausfall würde das nach Einschätzung der meisten Experten nicht darstellen. Was der Währungsfonds dagegen tun kann? Nicht allzu viel, erläutert Waibel. Theoretisch könnte die IWF-Mitgliedschaft aufgekündigt werden, allerdings sei so etwas noch nicht vorgekommen. Auch kennt er keinen Fall, in dem der Fonds Exekution gegen einen Schuldner geführt hätte. Möglich wäre das etwa bei Simbabwe gewesen, das seine Schulden jahrelang nicht bediente.

Ernster wird es bei der im Juli fälligen Anleihe, die u. a. von der EZB gehalten wird, die aber auch von privaten Gläubigern gekauft wurde. Bei einem Ausfall könnten über sogenannte Cross Default Clauses alle Anleihengläubiger ihre Forderung fällig stellen. Das wäre dann wohl der Bankrott. (Andreas Schnauder, 30.6.2015)