Künstlerische Darstellung des Asteroideneinschlags auf der Erde vor 65 Millionen Jahren, der das Ende der Dinosaurier-Ära markiert haben dürfte.

Illu.: Don Davis

Wien – Mit dem ersten "Asteroid Day" soll am heutigen Dienstag weltweit über Asteroiden informiert und die möglichen Risiken durch diese Himmelskörper aufgezeigt werden. Die Initiatoren fordern in einer Deklaration Maßnahmen, um mehr erdnahe Objekte zu identifizieren. "Zu sagen, das interessiert uns nicht, wäre wie Russisches Roulette", meinte etwa der Wiener Astrophysiker Rudolf Albrecht.

Das Datum für den "Tag der Asteroiden" ist nicht zufällig gewählt: Am 30. Juni 1908 explodierte, so zumindest die wahrscheinlichste Theorie, ein Asteroid knapp über der Erdoberfläche in Sibirien und entwurzelte Bäume im Umkreis von bis zu 30 Kilometern – das sogenannte Tunguska-Ereignis.

Es gebe eine Million Asteroiden in unserem Sonnensystem, die das Potenzial haben, auf der Erde einzuschlagen und ganze Städte zu zerstören. Bisher seien allerdings weniger als 10.000 davon entdeckt worden, heißt es in einer zum Asteroiden-Tag lancierten Deklaration.

Schwierige Evaluierung

Wie groß ist Gefahr für die Erde tatsächlich ist, sei schwierig in Zahlen zu fassen, erklärte Albrecht, der lange bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA gearbeitet hat und sich seit Jahren in UN-Arbeitsgruppen mit möglichen Asteroiden-Abwehr-Maßnahmen beschäftigt. "Klar ist, dass der Prozess, der das Sonnensystem geformt hat, nämlich das Zusammenklumpen von Klein- und Kleinstkörpern zu Protoplaneten, die dann durch das weitere Einsammeln von Materie die Planeten gebildet haben, bei weitem noch nicht abgeschlossen ist."

Es gebe immer noch Material jeder Größe im Sonnensystem, das einschlagen könne. Das Problem sei, dass man das Ausmaß nicht ganz genau kenne. Tausende Asteroiden würden als erdnahe Objekte gelten, knapp 1.600 seien potenziell gefährlich, so Albrecht, der aber zur Vorsicht bei solchen Zahlen mahnt: "Die Entwicklung ist äußerst dynamisch und es ändert sich praktisch jeden Tag."

UN-Arbeitsgruppen

Derzeit würden mehrere Programme laufen, um solche Objekte aufzuspüren, sie zu klassifizieren und ihre Bahn zu berechnen. "In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden wir eine sehr genaue Übersicht haben." Bisher habe man weder Asteroiden aufspüren noch etwas dagegen tun können. "Jetzt ist unsere Zivilisation an einem Punkt angelangt, wo wir technisch in der Lage dazu sind, und jetzt müssen wir uns überlegen, wie wir das machen", so Albrecht.

Bereits in den 1990er-Jahren wurde von den Vereinten Nationen eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit der Asteroiden-Bedrohung beschäftigt und in der Albrecht mitgearbeitet hat. Auf deren Empfehlung hin hat das in Wien ansässige UN-Komitee zur friedlichen Nutzung des Weltraums (UN COPUOS) zwei permanente Arbeitsgruppen gebildet, das "International Asteroid Warning Network", eine Vereinigung von Einrichtungen und Observatorien, die Asteroiden suchen und beobachten, und die "Space Mission Planning Advisory Group", der Albrecht angehört.

Testmissionen geplant

"Wir entwickeln dort verschiedene Bedrohungsszenarien, um zu wissen, welche technischen Optionen man in bestimmten Fällen hat", sagte der Astrophysiker. ESA und NASA planen erste Testmissionen zu den Zwillings-Asteroiden Didymos. Der größere der beiden Körper misst etwa 800 Meter und wird vom 170 Meter großen Didymoon umkreist. Eine ESA-Sonde soll 2022 ein Landemodul auf Didymoon absetzen und vermessen, was mit der Bahn des Asteroiden passiert, wenn eine NASA-Sonde mit hoher Geschwindigkeit einschlägt.

Einige mögliche Vorgehensweisen beschreibt Wissenschaftsautor und STANDARD-Blogger Florian Freistetter in seinem neuen Buch "Asteroid now". So könnte etwa eine Raumsonde, die neben dem Asteroiden herfliegt, durch ihre geringe Anziehungskraft dessen Bahn langsam verändern. Auch Sonnensegel wären vorstellbar, die auf einem Asterioden aufgespannt werden und den Strahlungsdruck der Sonne zur Ablenkung nutzen.

Völkerrechtliche Implikationen

Wie im Ernstfall aber tatsächlich reagiert werde, sei keine rein technische, sondern auch eine geopolitische Entscheidung. Und da seien noch Aktionen der Vereinten Nationen erforderlich: "Wenn uns ein großes Objekt in einem Jahr bedroht, kann man nicht auf die nächste UN-Vollversammlung warten", sagte Albrecht. Für solche politische Entscheidungen von höchster Brisanz müsse es ein politisches Gremium geben, das viel schneller arbeite als die Vollversammlung oder der Sicherheitsrat, aber dennoch so repräsentativ sei, um Maßnahmen im Namen der Menschheit ergreifen zu können. (APA, red, 30.6.2015)