Burgtheaterschauspielerin Christiane von Poelnitz in einem Kleid und einem Bolero
von Véronique Leroy.

Foto: Judith Stehlik

"Ich bin eine Stadttheaterschauspielerin", sagt Christiane von Poelnitz. Würde sie jemand anderes so bezeichnen, wäre das nicht als Kompliment gemeint. Stadttheaterschauspielerin, das klingt nach einem Leben mit mittelgroßen Rollen. Nach pragmatisierter Kreativität. Seit nunmehr elf Jahren spielt von Poelnitz am Wiener Burgtheater, viele große und auch einige kleine Rollen, aber durch so etwas wie Routine ist diese Schauspielerin noch nie aufgefallen.

Im Gegenteil: Poelnitz ist eine, die sich am liebsten Abend für Abend veräußert. Die sich im Blut und im Dreck wälzt, und auch dann noch nicht zur Ruhe kommt, wenn andere schon lange w. o. gegeben haben. Die hübschen, verliebten Mädels hat sie nie gespielt, die Menschen, die sie verkörpert, haben mit der Liebe meist schon abgeschlossen. Stadttheaterschauspielerin? Man muss sich schon sehr verbiegen, um diesem Begriff etwas abzugewinnen.

Alleinerziehende Zeitkünstlerin

Wir treffen uns am frühen Vormittag im Café Drechsler. Die zwei Töchter sind in der Schule, am Nachmittag jagen sich die Termine. "Ich bin eine Zeitkünstlerin", sagt die Schauspielerin mit ihrer markanten Stimme, und gesteht, dass sie sich vor dem Gespräch noch 20 Minuten hingelegt hat. Um fit für den Tag zu sein. Als Alleinerzieherin, die oft mehrmals in der Woche auf der Bühne steht und permanent für die nächste Rolle probt, alles unter einen Hut zu kriegen ist gar nicht so leicht. "Ich habe eine perfekte Struktur aufgebaut", sagt sie und erzählt dann von ihrer Kinderbetreuung.

Und von ihrem Ex-Mann, dem Schauspieler Joachim Meyerhoff, der einspringt, wenn Not am Mann ist. Meyerhoff und von Poelnitz, das war früher einmal so etwas wie das Burgtheater-Traumpaar. Bis man sich irgendwann scheiden ließ und sich fortan nur mehr in Edward Albees "Wer hat Angst von Virginia Woolf" gegenseitig zerfleischte. "Ich fände es anstrengend, meinen Ex-Mann hassen zu müssen", sagt sie heute, und damit ist das Thema abgehakt.

Fotografiert wurde diese Strecke mit Christiane von Poelnitz in Bad Vöslau. Die Schauspielerin trägt ein Kleid von Véronique Leroy. Die Stiefel sind
von Dolce & Gabbana.
Foto: Judith Stehlik

Vielbeschäftigt an der Burg

Von Poelnitz ist eine dieser Schauspielerinnen, die es normalerweise nicht geben dürfte. Unprätentiös, uneitel, unanstrengend. "Der Mittelpunkt meines Lebens sind nicht meine Rollen, sondern meine Kinder" , sagt sie. Lieber als über ihre Rollen spricht sie über ihre Töchter. Statt nach der Vorstellung in der Kantine hängenzubleiben, eilt sie nach Hause, um noch Zeit für die 14-jährige und siebenjährige Tochter zu haben. "Die beiden sind jene Menschen, mit denen ich am liebsten Zeit verbringe." Einen Fernseher gibt es im Von-Poelnitz-Haushalt nicht. Warum auch? Es sei doch wesentlich spannender, sich miteinander zu beschäftigen.

Mit 33 ist von Poelnitz nach Wien gekommen. Im Schlepptau von Regisseurin Karin Baier, die die Schauspielerin dem damaligen Intendanten Klaus Bachler vorstellte. Seit damals gehört die in einem kleinen Kaff in Oberfranken geborene Schauspielerin zu den am meisten beschäftigten Burgschauspielerinnen. Kaum ein Schimmelpfennig-Stück, in dem sie nicht über die Bühne zetert und poltert, ob als Chinese, der an unerträglichen Zahnschmerzen leidet (Der goldene Drache), oder als kinderlose Ehefrau, die am liebsten Ohrfeigen austeilt (Peggy Pickit). Unter Thalheimer spielte sie die Elektra, bei Jan Bosse die Irina in der Möwe. "Gefühlsterroristin" wurde die Schauspielerin einmal in einem Porträt genannt.

Hauptrolle im Oktober

Derzeit bereitet sie sich auf ihre nächste Hauptrolle vor. Im Oktober wird sie im gleichnamigen Stück von Maxim Gorki die Unternehmerin Wassa Schelesnowa geben (Regie: Andreas Kriegenburg). Eine richtig starke Frau, deren Mann im Sterben liegt und die vollauf damit beschäftigt ist, den Laden zusammenzuhalten. "Ich glaube, diese Frau hat sich noch nie mit sich selbst beschäftigt", sagt von Poelnitz. "Aus dem einfachen Grund, weil sie dafür schlichtweg keine Zeit hat." Es ist eine Rolle ganz nach von Poelnitz' Geschmack: eine Frau, eine Mutter, bei der Gut und Böse ganz nah beieinanderliegen. Ihre Mutterliebe ist grausam und selbstsüchtig, gleichzeitig kämpft sie um den familiären Zusammenhalt. "Ich mag Figuren, bei denen es richtig zur Sache geht", sagt von Poelnitz. Figuren, bei denen sie ihre ganze Körperlichkeit ausspielen kann.

Als Teenager hat von Poelnitz Leistungssport betrieben. Rennkajakfahrerin war sie, und das viele Jahre lang. So schlank die Schauspielerin ist, so zäh und muskulös ist sie. "Als mich einmal jemand überfallen wollte, habe ich ihn windelweich geprügelt." Damenhaft ist kein Attribut, das man von Poelnitz verleihen würde. Es ist denn auch das erste Mal, dass sie sich in aktueller Mode fotografieren lässt. "Bisher habe ich diesbezügliche Anfragen immer abgelehnt."

Zum einen, weil sich die Schauspielerin vor der Kamera (auch vor der Fernsehkamera) wesentlich unwohler als auf der Bühne fühlt, zum anderen, weil sie kaum einen Bezug zu Mode hat. "Ich trage seit Jahr und Tag dasselbe. Wenn ich wirklich etwas hasse, ist es, einkaufen zu gehen." Wie gut, dass die Mode in diesem Fall zu ihr kam – und sich die Schauspielerin darin sichtlich wohlfühlte. (Stephan Hilpold, Rondo, 3.7.2015)

Christiane von Poelnitz trägt eine Seidenbluse von Swash, einen Rock von Véronique Leroy und Schuhe von Munoz Vrandecic. Die Kette ist
von Florian.
Foto: Judith Stehlik
Das Spitzenkleid ist von Preen, die Sandalen
von Robert Clergerie.
Foto: Judith Stehlik