Eine aktuelle Visualisierung des "Danube Flats"-Turms, wie ihn die Bewohner des benachbarten Seidler-Turms zu sehen bekommen werden.

Visualisierung: Danube Flats Gmbh

Die Gestaltung des Ufers zur Neuen Donau gehört zu den Verpflichtungen des Bauträgers im Rahmen der "städtebaulichen Verträge".

Visualisierung: Danube Flats Gmbh

Am Mittwoch wird im Wiener Gemeinderat die Flächenwidmung für das umstrittene Hochhausprojekt "Danube Flats" beschlossen. Mit der Widmungsänderung haben die Entwickler des 150-Meter-Turms an der Reichsbrücke, die Danube Flats GmbH (hinter der die Soravia Group und die S+B-Gruppe stehen), eine wichtige Etappe genommen.

Städtebauliche Verträge: Transparenz gefordert

Gleichzeitig werden im Gemeinderat die ersten "städtebaulichen Verträge" abgesegnet, die die Stadt mit den Entwicklern der "Danube Flats" (ebenso wie für das Projekt "Triiiple" im 3. Bezirk) abgeschlossen hat. Möglich machte diese Verträge die neue Wiener Bauordnung, die seit Juli 2014 in Kraft ist.

Genau genommen handelt es sich um "privatrechtliche Vereinbarungen", denn so lautet die entsprechende Passage in Paragraf 1a der Bauordnung. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) und Grünen-Planungssprecher Christoph Chorherr freuten sich beim Beschluss vor einem Jahr über dieses neu geschaffene "zentrale Werkzeug zur Steuerung städtebaulicher Projekte".

Auch der Rechts- und Raumplanungsexperte Arthur Kanonier von der TU Wien hält diese Verträge für einen "richtigen Schritt". Er pocht aber im Gespräch mit dem STANDARD darauf, dass die Vereinbarungen transparenter ablaufen. Auch im Sinne der Bauträger selbst: "Welchen Spielraum gibt es bei den Verhandlungen? Wird jedes Mal neu verhandelt, oder steckt ein Modell dahinter? Und wenn ja, welches?", fragt Kanonier. Es gehe hier schließlich auch um Rechtssicherheit für Investoren.

Maßnahmen in Höhe von 10 Millionen Euro

Der Vertrag zwischen Stadt Wien und Danube Flats GmbH (bzw. deren Rechtsnachfolgern), der nicht öffentlich gemacht wurde, dem STANDARD aber vorliegt, zählt zunächst die Verpflichtungen der Entwickler auf und sieht auch Pönalen im Fall des nicht fristgerechten Erbringens auf. In mehreren Anlagen werden die Leistungen dann im Detail beschrieben.

Der Bauträger verpflichtet sich beispielsweise zur Neugestaltung des Vorplatzes der U1-Station Donauinsel sowie zur teilweisen Überplattung der Zufahrt zur A22 Richtung Graz. Außerdem müssen Schall- und Windschutzeinrichtungen entlang der Reichsbrücke geschaffen werden, das Ufer an der Neuen Donau gestaltet und in der Sockelzone ein Kindergarten mit sieben Gruppen errichtet werden. Ferner ist auch ein finanzieller Beitrag in Höhe von 3,86 Millionen Euro zur Erweiterung einer Schule zu erbringen.

Sozialwohnungen: Erst zehn, dann 30, dann 40

Weiters müssen auf 1.200 bis 1.400 Quadratmetern (von insgesamt 36.000 m² Wohnnutzfläche) insgesamt 40 "Smart-Wohnungen mit je ca. 30 bis 40 m² Wohnnutzfläche" mit "üblichem Ausstattungsgrad für den sozialen Wohnbau" errichtet werden. Über die Anzahl dieser "Wohnungen für einkommensschwächere Menschen" war zuvor heftig gerungen worden. Anfangs waren sie nicht in dieser Anzahl vorgesehen. Im ersten Widmungsansuchen vom Dezember 2012, das dem STANDARD ebenfalls vorliegt, war lediglich von zehn Sozialwohnungen die Rede; und diese wolle man "klein halten".

Im Februar 2013 wurde mitgeteilt, dass es doch 30 Wohnungen werden, die unter dem Titel "Smart Living" vertrieben werden sollen, wobei die Mieten bei sieben Euro pro Quadratmeter gedeckelt werden würden. Nun sollen es also doch immerhin 40 werden. Allerdings, und dies ist ein interessantes Detail: Der "indexierte Mietpreis (Richtwert)" muss laut Vertrag nur "auf die Dauer von zehn Jahren zur Verfügung gestellt werden". (Mittlerweile wurde von Chorherr klargestellt, dass die Bedingungen der "Wiener Wohnbauinitiative" gelten und die Wohnungen zunächst unbefristet vergeben werden – siehe Artikel.)

Insgesamt umfassen die Verträge Maßnahmen in Höhe von zehn Millionen Euro. Die Durchführung wird mittels eines Garantiebriefs über ebendiese Summe sichergestellt.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Dass dabei "für eine Widmung bezahlt wird", wie Beobachter monierten, stellt man vonseiten der Verantwortlichen der Stadt Wien entschieden in Abrede – und das muss man auch, begibt man sich doch sonst auf rechtlich heikles Terrain. Georg Karasek, Experte für Bau- und Immobilienrecht, weiß nämlich von "ganz ähnlichen Bestimmungen" in der Salzburger Bauordnung von 1992 zu berichten, die schließlich 1999 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden. Die Widmung von Flächen als Bauland oder Grünland wurde damals von privatrechtlichen Verträgen mit der jeweiligen Gemeinde abhängig gemacht. "Eine derartige zwingende Verknüpfung privatwirtschaftlicher Maßnahmen mit hoheitlichen Maßnahmen (nämlich der Erlassung von Raumordnungsplänen in Verordnungsform, Anm.) ist vom System der Bundesverfassung nicht vorgesehen", stellte der Verfassungsgerichtshof damals fest.

Die Stadt Wien wollte es nun besser machen und hielt in ihrer neuen Bauordnung explizit fest, dass "die Festsetzung oder Abänderung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht vom Abschluss einer solchen Vereinbarung abhängig gemacht werden darf". Karasek sieht dennoch "deutliche verfassungsrechtliche Probleme". Weil die Entwickler im Fall der "Danube Flats" eben auch zu einem (finanziellen) Beitrag einer Schulerweiterung vertraglich verpflichtet werden, hält er es für denkbar, dass hier neuerlich eine Verknüpfung mit "hoheitlichen Maßnahmen" wie damals in Salzburg erkannt wird.

"Sowieso-Maßnahmen"

Die Kritiker in der "Initiative Kaisermühlen", die schon seit fast drei Jahren gegen das Bauprojekt Himmel und Hölle in Bewegung setzen, halten die städtebaulichen Verträge ohnehin für das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Die meisten der darin geregelten Maßnahmen hätten nach Meinung von Initiativen-Mitglied Walter Polster sowieso durchgeführt werden müssen, weil das Gelände sonst für den Verkauf von teuren Eigentumswohnungen denkbar unattraktiv wäre. "Was hier also als Maßnahme zur Attraktivierung des öffentlichen Raums verkauft wird, dient nur der Attraktivierung des Projekts selbst", sagte Polster vor einigen Wochen zum STANDARD.

Die meisten Mitglieder der Initiative wohnen im direkt benachbarten "Hochhaus Neue Donau", geplant von Harry Seidler. Der 1923 in Wien geborene, später vor den Nazis nach Australien geflüchtete und 2006 in Sydney verstorbene Architekt hatte ursprünglich auch am Standort des Kinos einen – freilich viel niedrigeren – Wohnbau realisieren wollen. Man änderte die Pläne und ließ von Seidler das Cineplexx-Kino bauen. Nun soll es nach kaum 15 Jahren wieder weichen.

Vom Wohnungsver- zum Wohnungsgebot

Bisher lautete die Widmung an diesem Standort auf "Gemischtes Baugebiet, Geschäftsviertel, Bauklasse V (= Höhe bis 26 Meter), BB". Hinter den beiden letzten Buchstaben verbirgt sich ein wichtiges Detail: Es steht für eine "Besondere Bestimmung" im Textteil des Bebauungsplans. Im konkreten Fall untersagten die bisher gültigen Plandokumente die Errichtung von Wohnungen auf diesem Bauplatz.

Auf Grundlage der neuen Plandokumente sollen auf diesem attraktiven Platz direkt an der Donau mit der neuen Bauklasse VI nun aber mehr als 500 Wohnungen entstehen. Etwa 300 davon im 150 Meter hohen Turm, der Rest in einem niedrigeren Bauteil.

Weil den Bewohnern des Seidlers-Turms beim Bezug ihrer Eigentumswohnungen vor mehr als einem Jahrzehnt mehr oder weniger explizit zugesagt worden war, dass der Blick auf die Donau "unverbaubar" sein werde, machten sie mobil. Es kam zunächst zu mehreren Info- und Diskussionsabenden, an denen insbesondere Vertreter der den Bezirk regierenden SPÖ sowie der Grünen ihr Fett abbekamen; der mittlerweile verstorbene damalige Bezirksvorsteher Norbert Scheed (SPÖ) und Grünen-Gemeinderat Chorherr saßen nämlich in der Wettbewerbsjury.

Schwester des Bauwerbers gewann Wettbewerb

Der Wettbewerb selbst wurde aber auch von der Architektenkammer massiv kritisiert. Dass am siegreichen Planerteam Project A01 Architects" nämlich ausgerechnet die Schwester von Soravia-Geschäftsführer Erwin Soravia, Maria Planegger-Soravia, federführend beteiligt ist, wurde als unvereinbar erachtet.

Die vielen weiteren Kritikpunkte der Architektenschaft finden sich gebündelt in einer Stellungnahme der Kammer vom Dezember 2014. Da wird unter anderem von einer "außergewöhnlichen" Aufwertung des Grundstücks per Umwidmung gesprochen, die "einer besonders detaillierten Begründung und im Sinne der Objektivität einer breiten Einbeziehung der Fachöffentlichkeit in die Erstellung der Grundlagen" bedurft hätte. "Die Implementierung des höchsten Wohnhochhauses des Landes in ein gewachsenes Siedlungsgebiet unmittelbar an einer der größten Freizeit- und Erholungsgebiete der Stadt erfordert eine besonders verantwortungsbewusste Vorgehensweise", so die Kammer weiter. Eingemahnt wurde etwa die Anwendung der Vorgaben des neuen Hochhauskonzepts, konkret "ein kooperatives Verfahren mit mehrstufigem Wettbewerb".

"Seidlers Plan"

Vertreter von SPÖ und Grünen, insbesondere Chorherr, hielten gegen all diese Kritikpunkte wiederholt fest, dass Wien dringend Wohnungen brauche und der Standort "ausgezeichnet" dafür geeignet wäre. Das strich auch der "Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung" in seiner Stellungnahme im April 2013 hervor, mahnte aber gleichzeitig eine Überarbeitung der Pläne ein, insbesondere die Höhe und Situierung des Turms betreffend.

Dazu kam es aber nicht. Stattdessen heben die Betreiber in letzter Zeit verstärkt den "öffentlichen Mehrwert" des Projekts hervor. Im Übrigen würde man nur – siehe oben – "Harry Seidlers Plan fortsetzen", nämlich einen Wohnbau anstelle des Kinos errichten. Für die Wohnungen soll es außerdem bereits rund 2.000 Interessenten geben, ist zu hören. Der Vertrieb soll starten, sobald die Baugenehmigung vorliegt. Im Sommer 2016, so hieß es im Mai in einer Meldung der deutschen Nachrichtenagentur dpa, könnte mit dem Bau begonnen werden. (Martin Putschögl, 1.7.2015)